Ja oder nein? Gehaltstransparenz im Check

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Es gibt viele Gründe, die für mehr Gehaltstransparenz sprechen, jedoch wiederum auch einige, die dagegen sprechen.

Das Thema „Gender Pay Gap“ ist nach wie vor präsent. Aus gutem Grund: Trotz zuletzt positiver Entwicklungen, verdienen Frauen in Österreich fast ein Fünftel weniger als ihre männlichen Kollegen – und das bei gleichwertiger Arbeit. In Finnland liegt ein ähnliches Gefälle vor, weshalb dort über eine gesetzliche Gehaltstransparenz diskutiert wird. Was spricht dafür und was dagegen? Wir zeigen euch jeweils 3 Vor- und Nachteile, die transparente Gehälter mit sich bringen.

3 Vorteile, die für mehr Gehaltstransparenz sprechen

#1 Gleichstellung für alle nachvollziehbar

Gerade in Sachen Gender Pay Gap zeigt sich das Hauptargument, das für mehr Gehaltstransparenz spricht. Offengelegte Löhne bringen Unternehmen in Zugzwang, ihre Mitarbeiter:innen gleichmäßig zu bezahlen – selbst wenn ein solches Gesetz Arbeitgeber:innen nicht zur Anpassung verpflichten würde. Unangenehme Gespräche unter Kolleg:innen? Gehören der Geschichte an. Neid oder gar Vorurteile im Team? Fehlanzeige. Für Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeiter:innen gibt es ein solches Gesetz in Österreich bereits. Seit mittlerweile zehn Jahren verpflichtet die sogenannte Gleichstellungnovelle dazu, mindestens alle zwei Jahre einen Einkommensbericht zu erstellen. Dieser ist für alle im Unternehmen einsehbar.

#2 Verhandlungsgeschick nicht mehr ausschlaggebend

Wer introvertiert oder besonders auf einen Job angewiesen ist, geht mit einer weniger breiten Brust in Verhandlungsgespräche als andere. Das ist kein Geheimnis. Je transparenter die Gehaltsstrukturen in einem Unternehmen sind, desto belangloser sind die persönlichen Umstände. Für betroffene Mitarbeiter:innen bedeutet das insbesondere für die Psyche eine enorme Entlastung. Und liegt nicht gerade deren Gesundheit am Ende des Tages auch im Interesse der Arbeitgeber:innen? Eine zufriedenere und fair bezahlte Belegschaft erhöht nachweislich die Effizienz und Wirtschaftlichkeit von Betrieben.

#3 Goodbye Gehaltsverhandlungen?

Im besten Fall sind sich Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen bei der Gehaltsverhandlung einig. Sowohl vor Vertragsabschluss als auch bei regelmäßigen Nachverhandlungen. Das Worst-Case-Szenario hingegen? Wenn grundverschiedene Vorstellungen aufeinandertreffen. Damit keiner von beiden sprichwörtlich in den „sauren Apfel beißen“ muss, kann mehr Transparenz die Basis für ein einheitliches System sein. Weiß man bereits bei der Bewerbung, mit welchem Lohn man rechnen kann, erwartet einen weder ein böses Erwachen noch eine für viele Menschen als unangenehm empfundene Gehaltsverhandlung.

Selbes gilt für die steigende Erwartungshaltung, je länger die Betriebszugehörigkeit anhält. Bereits im Vorfeld zu wissen, wie viel man in einem, in fünf oder in zehn Jahren verdient, erleichtert eine wertschätzende Zusammenarbeit. Im Übrigen gehen damit auch Vorteile für die Unternehmen selbst einher: Die langfristige Planungssicherheit bei den Personalkosten trifft auf eine Belegschaft, die auf Augenhöhe miteinander arbeiten kann.

3 Nachteile, die gegen mehr Gehaltstransparenz sprechen

#1 Löhne sinken im Durchschnitt

Die Kehrseite der Medaille zeigt eine Studie der Harvard Universität zum Thema. Dort wurde belegt, dass mit steigender Transparenz die durchschnittlichen Löhne sinken – um bis zu acht Prozent. In Einzelfällen sogar deutlich stärker. Wie es dazu kommt? Hochqualifizierte Fachkräfte werden im Regelfall dadurch gewonnen oder als Mitarbeiter:innen gehalten, indem man ihnen hohe Gehälter zusichert. Müssen diese nun offen kommuniziert werden, warten Arbeitgeber:innen nicht lange auf Forderungen des restlichen Kollegiums. Klingt fair, bringt allerdings Unternehmen um Spitzenpersonal, das seinen Gehaltsforderungen für gewöhnlich auch gerecht wird. Weniger überdurchschnittliche Gehälter bedeuten daher automatisch eine Senkung des gesamten Lohnniveaus. Transparenz hat ihren Preis.

#2 Unklarheit, was ein faires Gehalt ist…

… rührt insbesondere daher, dass Zufriedenheit meist subjektiv empfunden wird. Ein Beispiel gefällig? Max ist ein 50-jähriger Familienvater, Erika eine 25 Jahre alte Uni-Absolventin. Beide bewerben sich auf die gleiche Position im selben Unternehmen. Aus Sicht des Unternehmens sind beide gleichermaßen für die Stelle geeignet, weshalb beide eingestellt werden. Max muss drei Kinder versorgen, den Kredit für sein Haus abzahlen und sein Auto finanzieren. Erika hingegen wohnt in einer kleinen Wohnung zur Miete und fährt mit dem Zug. Beide haben verschiedene Vorstellungen darüber, was ein angemessenes Gehalt ist und würden daher unterschiedlich verhandeln. Theoretisch könnten beide also mit ihrem Einkommen zufrieden sein, obwohl sie praktisch nicht dasselbe verdienen. 

Speziell für Unternehmen entsteht daraus ein Nachteil. Mit einem transparenten Gehaltssystem, verdient Erika zwar mehr als sie selbst zunächst erwartet hätte. Jedoch kommt zugleich die Anstellung für Max nicht in Frage, da er mit dem Gehalt seine Kosten nicht ausreichend decken kann. Steht das transparente Gehalt bereits in der Stellenausschreibung, bewerben sich Interessent:innen wie Max erst gar nicht.

#3 Selbes Gehalt, unterschiedliche Leistung?

Geht man über das Beispiel von Max und Erika hinaus, stellt man in der Realität in erster Linie eines fest: Zwar lassen sich Positionen im Unternehmen leicht vereinheitlichen. Bei den Qualifikationen und Leistungen im Berufsalltag kommt es hingegen nicht selten zu spürbaren Unterschieden. Sind fünf Mitarbeiter:innen offiziell Teil der selben Abteilung, bedeutet das nicht automatisch, dass sie gleichwertige Arbeit leisten. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben sie täglich verschiedene Aufgaben und Herausforderungen, andere Werdegänge und womöglich sogar unterschiedliche Arbeitszeiten. Die einen arbeiten schneller und gewissenhafter, die anderen zwar auch effektiv, aber weniger effizient. Und auch schwarze Schafe gibt es in jedem Betrieb. Leistungsträger:innen werden bei gleicher Entlohnung schnell an Motivation einbüßen. Deshalb benötigen Arbeitgeber:innen für diese Verhältnismäßigkeit ein feines Gespür. Denn am Ende des Tages ist vor allem eines entscheidend: die Fairness im Team.

Von David Bauer