Mehr Aufsichtsrätinnen braucht das Land!

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Um mehr weibliche Aufsichtsrätinnen zu finden, hat in Oberösterreich ein neuer Lehrgang gestartet.

Mit dem neuen Aufsichtsrätinnen-Lehrgang Oberösterreich soll genau das gelingen. Erfahrene weibliche Führungskräfte werden in vier Modulen zu je sechs Stunden für Aufsichtsratspositionen vorbereitet. Warum das nicht nur für die Frauen selbst, sondern vor allem für die Unternehmen wertvoll ist, das wollen wir von Organisatorin Doris Schulz und Projektentwicklerin Sabine Pelzmann wissen.   

„Wir würden eh gern eine Frau im Aufsichtsrat haben, aber wir finden keine!“ Weil Aussagen wie diese nicht selten sind, war es Doris Schulz so wichtig, einen Aufsichtsrätinnen-Lehrgang nach Oberösterreich zu bringen. „Ich freue mich, dass Sabine Pelzmann und Erika Krenn-Neuwirth als erfahrene Lehrgangs-Entwicklerinnen diesen Lehrgang in Oberösterreich betreiben“, erzählt Doris Schulz, Initiatorin des „Women Excellence Circle“. Auch Sabine Pelzmann fühlte sich 2015 von solchen Aussagen motiviert, den ersten Aufsichtsrätinnen-Lehrgang in der Steiermark ins Leben zu rufen. „Wir haben mittlerweile 60 Frauen ausgebildet, mehr als ein Drittel davon sind jetzt in Aufsichtsräten. Es gibt jedenfalls genügend kompetente Frauen und Unternehmerinnen auf erster oder zweiter Führungsebene für diese Positionen.“

Der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten der 200 umsatzstärksten Unternehmen in Österreich hat sich von 2011 bis 2021 immerhin von 10,3 auf 23.5 Prozent erhöht*. Mit dem Aufsichtsrätinnenlehrgang Oberösterreich soll diese Quote nun weiter wachsen. Kurzentschlossene können sich noch anmelden. 

Warum gibt es bislang so wenige Frauen in Aufsichtsräten?

Sabine Pelzmann: Frauen müssen sich gut vernetzen und auch zum Ausdruck bringen, dass sie sich für Aufsichtsrats-Funktionen interessieren. Es geht darum, sich selbst in Position zu bringen und sich das zuzutrauen. Teilweise haben wir noch patriarchale männliche Unternehmenskulturen, da fragt man bei der Auswahl eben jemanden, der einem ähnlich ist. Seit 2018 ist eine Quote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen vorgeschrieben, in den Top 200 der österreichischen Unternehmen beträgt der Frauenanteil jetzt schon über 23 Prozent, die Quote hat also auch etwas bewirkt. Norwegen war 2003 das erste Land in Europa mit dieser Quote, da sind es schon 40 Prozent, Frankreich hat 45 Prozent der Aufsichtsräte mit Frauen besetzt. Diversität tut Aufsichtsräten gut. 

Warum tut Diversität Aufsichtsräten so gut?

Sabine Pelzmann: Der Aufsichtsrat hat eine immens wichtige Rolle für die strategische Entwicklung des Unternehmens. Es geht darum, zukunftsträchtige Entscheidungen zu treffen. Und wir wissen, dass diverse Teams das besser können – das hat man zum Beispiel bei der Finanzkrise gesehen. 

Was genau ändert sich in Aufsichtsräten, wenn diese nicht nur männlich besetzt sind?

Doris Schulz: Frauen bringen andere Aspekte ein. Pauschal gesprochen: Männer wollen Probleme vom Tisch, Frauen wollen Lösungen. Ich kann mich an ein Unternehmen im öffentlichen Bereich erinnern mit rein männlich besetztem Aufsichtsrat von der Gründung an. Und die Mitglieder haben sich in den Zahlen für das damals neuzugründende Unternehmen hochlizitiert, wer kann den anderen toppen? Jeder hat den Kopf geschüttelt. Das Unternehmen hat dann mit einem riesigen Minus gestartet, weil man die ausgemachten Zahlen nie erreichen konnte. Ich bin überzeugt, wären Frauen dabei gewesen, hätten sie diesen Wettkampf etwas abwenden können und eine realistische Sicht hineingebracht – die 360-Grad-Ansicht statt bloß 180 Grad, wenn man so will. 

Sabine Pelzmann: Faktoren der Gruppendynamik spielen eine große Rolle. Man sagt, dass es mindestens ein Drittel der unterrepräsentierten Einheit bzw. des Geschlechts braucht, damit diese Faktoren wirken. Unterschiede sehen wir im Entscheidungsverhalten. Die Entscheidungen werden schneller getroffen, das hat man bei norwegischen Aufsichtsräten gesehen. Das Gremium ist entscheidungsfähiger und -freudiger, da es keine Rangspiele wie in rein männlich besetzten Aufsichtsräten gibt. Was sich auch ändert ist der Kommunikationsstil und die Kommunikationskultur. 

Und was haben die Frauen selbst davon, Teil eines Aufsichtsrates zu sein?

Doris Schulz: Die Frage nach dem Warum lässt sich einfach beantworten: Weil sie es können. Frauen sind die Bildungsgewinnerinnen unserer Zeit. Es gibt mehr Frauen, die besser ausgebildet sind und schnellere Ausbildungen mit besseren Noten gemacht haben. Wichtig ist aber das Sichtbarmachen von Frauen. Ich versuche hier immer, stärkend zu wirken. Es gibt Frauen mit großer Flughöhe, die stark an sich selbst zweifeln. Ich selbst war Aufsichtsrats-Vorsitzende der Messe Wels und war neben der Gewerkschafterin die einzige Frau. Es ist immer ein Drahtseilakt. Natürlich gilt es, Verantwortung zu übernehmen, es ist aber eine sehr spannende und kreative Entscheidungsebene. 

Werden die Töchter heute schon so erzogen, dass sie eines Tags nicht daran zweifeln, das Zeug zur Aufsichtsrätin zu haben?

Doris Schulz: Ja, ich denke, dass die neue Generation da schon wesentlich stärker ist. Ich möchte aber nicht davon sprechen müssen, dass Frauen in unserer Generation aufgrund von Selbstzweifeln etwas nicht können und deswegen immer in die Ecke gestellt werden. Es ist auch unser Beitrag als Frauen, uns gegenseitig zu stärken. Für Männer ist das oft viel selbstverständlicher. Nur wenn wir uns entscheiden, gemeinsam den Weg zu gehen und uns zu stärken, kann es gelingen. 

Welche Mythen kreisen um Aufsichtsratsfunktionen?

Doris Schulz: Ein Mythos ist, dass das eine Runde ist, die sich trifft, wo es aber nicht wirklich um Entscheidungen geht und somit auch keine Kompetenz notwendig ist. Doch das Aufsichtsrats-Gremium ist ein strategisch immens wichtiges für die Weiterentwicklung des Unternehmens. Es gibt mindestens vier Sitzungen im Jahr, in Krisenzeiten können diese auch wöchentlich sein. Da wird also intensiv gearbeitet, es braucht ausreichend Vorbereitung. Man muss Unterlagen studieren, sich Fragen überlegen und Klarheit haben über die Komplexität der Aufgabe. Wir hatten das ja bei der Commerzbank im Burgenland, wo verschiedene Gremien ihre Aufgaben nicht ordentlich wahrgenommen haben. 

Wenn das nun für eine Frau spannend klingt, wie kann sie feststellen, ob sie für den Aufsichtsrätinnenlehrgang geeignet ist? 

Doris Schulz: Grundsätzlich richtet sich der Lehrgang an Frauen im Management, das heißt Erfahrung und gute Ausbildung sind Voraussetzungen. Er richtet sich aber auch an Unternehmerinnen oder Frauen in der Forschung. 

Mit welchen Fähigkeiten und Werkzeugen schließt man den Lehrgang ab?

Sabine Pelzmann: Man schließt mit einem Zertifikat ab. In einem viermoduligen Aufbau setzt man sich mit der Rolle des Aufsichtsrats auseinander, seinen Aufgaben und den rechtlichen Rahmenbedingungen. Jedes Modul beinhaltet auch ein praktisches Beispiel aus einem unterschiedlichen Bereich, also Industrie, Kultur, Unternehmen der öffentlichen Verwaltung. Wir spielen auch verschiedene Situationen durch, wie reagiert man, welche Handlungsmöglichkeiten hat man. Beim juristischen Modul geht es um die Haftung im Aufsichtsrat, wie man Fragen protokollieren lässt und so weiter. Auch die verschiedenen Arten wie Universitätsrat oder Stiftungsrat, also unterschiedliche Perspektiven, werden beleuchtet.  

Doris Schulz: Was auch wichtig ist, ist Vertraulichkeit und Geheimhaltung der Ergebnisse, also da sind eher strategische Dinge spannend. 

Wann wird der nächste Aufsichtsrätinnen-Lehrgang starten?

Doris Schulz: Wer kurzentschlossen ist, kann jetzt noch im November einsteigen. Der nächste wird wohl im Herbst 2022 starten, jedenfalls gibt es schon wieder Interessentinnen.  

Wortgewand(t)

Typisch weibliche Stärken_

Doris Schulz: Rascher und flexibler in ihren Entscheidungen, weil sie nicht diese jahrhundertelangen Traditionen am Buckel haben und keine Machtkämpfe vorantreiben. 

Sabine Pelzmann: Frauen haben transformative Kompetenzen: Sie können Veränderungen leben und Wandel vorantreiben. 

Was sich Frauen von Männern abschauen können_

Doris Schulz: Strategisches Netzwerken; überlegen, was könnte der (über)nächste Schritt sein in der Karriere. 

Sabine Pelzmann: Dinge zu tun, die sie nicht 100-prozentig können; also mit Selbstbewusstsein und Mut zur Lücke Dinge tun und Aufgaben annehmen. 

Frauenfeindlichen Anmerkungen begegnet man am besten so_

Doris Schulz: Ich habe alle Varianten durchprobiert, am ehesten klinke ich mich sichtbar für alle aus; also im Kaffee rühren oder beginnen irgendetwas zu schreiben: sich abgrenzen und zeigen, dass man das nicht akzeptiert. Habe auch mit Männerwitzen gekontert, vieles hat aber nicht so gut funktioniert. 

Sabine Pelzmann: Ich würde stoisch schauen und das in einem Einzelgespräch nachbesprechen. Wäre ich Vorsitzende des Gremiums, würde ich das offen ansprechen und klarmachen, dass so etwas nicht geht. 

Eine Fauenquote_

Doris Schulz: Die Quote ist das einzig wirksame Mittel, für den privaten Bereich halte ich sie aber für bedenklich. Ich hoffe aber, dass es durch die Quote im börsennotierten Bereich eine Vorbildwirkung gibt. 

Was ein gutes Aufsichtsratsmitglied ausmacht_

Doris Schulz: Gut vorbereitet, nicht unbedingt parteiisch im Vorfeld, sondern es lässt Diskussion zu und unterstützt die Diskussion mit eigenen Beiträgen, lässt sich aber in Entscheidungen soviel Zeit wie notwendig. Vertraulichkeit ist Grundvoraussetzung. 

Sabine Pelzmann: Umsichtig und klug; Vertraulichkeit ist ein großes Thema und es geht darum, sich auch wirklich für das Unternehmen und die Organisation zu interessieren, ein Herz dafür zu entwickeln und ein Gefühl für dieses Geschäft. 

Zu den Personen

Doris Schulz // Medienfrau, Impulsgeberin und Projektentwicklerin. Leiterin des Crossmentoring-Programms OÖ und Initiatorin des „Women Excellence Circle“

Sabine Pelzmann // Expertin für Führung und integrative Organisationsentwicklung, Unternehmens- und Führungskräfteentwicklung, Changemanagement.

*Quelle: Statista 2021
Von Susanna Winkelhofer