Wie geht eine glückliche Beziehung?

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Bist du in deiner Beziehung glücklich?

Seufz. Verliebt sein ist eines der wunderbarsten Gefühle. Die Schmetterlinge im Bauch, dieses permanente, leichte Herzklopfen und irgendwie die Wahrnehmung, dass einem die Welt zu Füßen liegt. Herrlich. Wie schafft man es, sich diese großen Gefühle auch in den Alltag und die vielen Wochen, Monate, Jahre nach dem ersten Kuss zu holen? Wir fragen bei Isabella Woldrich nach Tipps. Die eigentliche Psychologin und Paartherapeutin ist außerdem Autorin und durchleuchtet zusätzlich auf den Kabarett-Bühnen des Landes klassische Paarprobleme auf sehr humorvolle Art und Weise.  

Beziehung ist nicht die Reise in den ersten gemeinsamen Urlaub – sondern eher der vierte Tag des 36. Urlaubs, den man zusammen macht. Und eine ernsthafte Beziehung ist auch nicht der Moment, wo man zusammenzieht und sich über die gemeinsame Bleibe freut – es ist vielmehr das 872. gemeinsame Abendessen in eben diesem Zuhause. Und wenn man (trotzdem) glücklich dabei ist. Wir wollen von der klinischen Gesundheitspsychologin Isabella Woldrich wissen, wie man eine glückliche Beziehung führt. 

Woran erkennt man eine glückliche Beziehung? 

Isabella Woldrich: Es ist nicht wichtig, ob andere eine glückliche Beziehung erkennen, denn oft ist der Schein viel heller als das Sein. Wichtig ist, ob man sich selbst in seiner Beziehung glücklich, verstanden und gut aufgehoben fühlt, und da hat jeder Mensch eine andere Messlatte, die auch sehr stark mit früheren Beziehungserfahrungen zu tun hat. 

Sehen das Männer und Frauen unterschiedlich? 

Isabella Woldrich: Frauen machen ihre Zufriedenheit, beziehungsweise Unzufriedenheit, nach wie vor viel häufiger vom Verhalten des Mannes abhängig, als dies umgekehrt der Fall ist. Die Grenzen werden inzwischen zwar schwammiger, aber dennoch erlebe ich nach wie vor, dass Männer viel autonomer sind, wenn es darum geht, für sich und ihre Bedürfnisse zu sorgen. Wesentliche Punkte für ihr Wohlbefinden sind: beruflicher Erfolg, die Freunde, das Hobby, seine Ruhe und regelmäßiger Sex. Die Zufriedenheit ist nur sehr wenig an die Beziehung gebunden, deswegen ist es für viele Männer nicht so schlimm, wenn es in der Beziehung „knatscht“ – sie haben viel mehr Ausweichmöglichkeiten, die sie – im Gegensatz zu Frauen – auch nutzen. 

Und die Frauen?

Isabella Woldrich: Frauen haben viel häufiger Bedürfnisse, die an ihren Partner beziehungsweise an ihre Familie gekoppelt sind: der gemeinsame Urlaub, die gemeinsamen Unternehmungen, schick ausgeführt werden. Aber auch ganz banale Alltagsthemen: „dass er endlich den Rasen mäht und die

Glühbirne auswechselt“. Oder soziale Themen wie „dass er sich beim nächsten Familientreffen nicht benimmt wie ein Urmensch“. Das Lustige ist, dass man diese Tendenzen auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen findet, das heißt Animus und Anima werden in Beziehungen gelebt. Wer welche Rolle wann übernimmt, ist nicht mehr zwingend vom biologischen Geschlecht abhängig. 

Welche Fragen sollte man sich stellen, wenn es einmal nicht so rund läuft?

Isabella Woldrich: Eine schöne Frage dazu ist: „Was muss ich tun, damit es noch schlimmer wird?“ Nach dem Motto: „Kennst Du das Gift, kennst Du das Gegengift“. Das kann oft schon sehr hilfreich sein, um zu erkennen, wo denn der Hund begraben ist. Wenn es nicht so rund läuft, kommt es natürlich auch darauf an, ob das Thema von „außen“ oder von „innen“ kommt. Wenn schwierige Umstände von außen, wie Jobverlust, Krankheit, Umzug, Veränderungen im Familienkreis kommen, geht es darum, wie man sich gegenseitig unterstützen kann. Wenn die Beziehung fest und stabil ist, ist das eine Bewährungsprobe, wenn es aber vorher schon gekriselt hat, können solche Außenbelastungen auch zur Zerreißprobe werden. 

Wie wichtig ist die „Beziehungspflege“?

Isabella Woldrich: Wer die Beziehung regelmäßig pflegt, kann auch schnell reagieren, wenn man das Gefühl hat, wir entfernen uns voneinander. Man geht ja auch regelmäßig zum Friseur und duscht sich täglich, damit sich nicht all zu viel Dreck ansammelt. Der Alltag ist der härteste Prüfstein, den eine Beziehung täglich bestehen muss. Seit einigen Jahrzehnten wartet keine duldsame, aufopfernde Frau mehr zu Hause, die Haushalt und Kinder managt, sich am Abend die Sorgen und Nöte des Mannes anhört und ihre Bedürfnisse völlig zurücksteckt. Meistens sind beide berufstätig und teilen sich mehr oder weniger die Haus- und Familienarbeit.

Also schafft man sich ein eigenes Beziehungsmodell?

Isabella Woldrich: Jedes Paar ist gefragt, sich eine eigene Beziehungskultur zu erschaffen, denn die althergebrachten reichen nicht mehr aus. Ein wichtiger Teil der Beziehungspflege beinhaltet heute auch die wertschätzende Aufteilung der täglichen „To do´s“. Hier rate ich immer, die Aufgaben so aufzuteilen, dass jeder das macht, was er am besten kann oder am liebsten macht. Eine sture 50:50 Aufteilung ist auf dem Papier vielleicht fair, wird aber selten gelebt. Sinnvoller sind Deals: „Wenn es dich nicht freut, die Socken wegzuräumen, mach ich das gerne für dich, dafür muss ich nicht den Müll rausbringen.“ Oder ganz klassisch: „Was ist es dir wert, dass du dich nicht um den Einkauf kümmern musst?“ Das kann monetär oder durch Gegenleistung abgegolten werden. Solche Verhandlungen können auch Spaß machen, aber nur, wenn noch nicht zu viele Altlasten auf dem Thema liegen und wenn beide fähig sind, ihre Bedürfnisse und ihre „no go´s“ klar zu äußern. 

Gibt es ein Geheimrezept für eine (lange) glückliche Beziehung?

Isabella Woldrich: In meinem neuen Kabarett „LiebesLeben“ beschäftige ich mich eingehend mit diesem Thema. Wichtig in jeder Partnerschaft sind: gegenseitiger Respekt, Wertschätzung, Toleranz, das Interesse am anderen wach zu halten, gemeinsame Ziele und Rituale zu entwickeln und sich auch gegenseitig den Raum für eigene persönliche Entwicklung zu geben. Oder sich auch zu nehmen – oft ein Thema, das Frauen erst lernen müssen! Wichtig sind außerdem Akzeptanz von Fehlern und Schwächen, konstruktive Kommunikation, Ernstnehmen der Bedürfnisse, Träume und Wünsche des anderen, gegenseitige Zuwendung und körperliche Zuneigung: Auch wenn ein Paar keinen Sex mehr hat, geht es immer noch darum, sich körperlich nahe zu sein. Etwa mit Händchen halten oder Berührungen. 

Ab wann sollte man sich eingestehen, dass die Beziehung unglücklich ist?

Isabella Woldrich: Eine Beziehung sollte ein Ort sein, wo man sich zurückziehen und auftanken kann. Wenn man sich schon häufiger davor fürchtet, nach Hause zu kommen und die Beziehung eher als Krisengebiet als ein Erholungsgebiet erlebt, ist es höchste Zeit, einmal genauer hinzuschauen. 

Ist jede Beziehung zu retten?

Isabella Woldrich: Nein. Und das sollte sie auch nicht sein. Manchmal ist das gemeinsame, natürlich unbekannte, Ziel einer Beziehung erreicht: Die Kinder gemeinsam großziehen, sich gegenseitig durch eine schwere Zeit helfen, gewisse Erfahrungen oder Schritte in der Persönlichkeitsentwicklung machen. Manchmal ist es viel zielführender, die Beziehung gut zu beenden. Das heißt, aus den eigenen Fehlern für die Zukunft zu lernen, das Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen, Verantwortlichkeiten wieder dort hinzugeben, wo sie hingehören, für die gemeinsame Zeit „Danke“ zu sagen und sich gegenseitig wieder frei zu geben.  

„Bis dass der Tod uns scheidet“ ist also passé? 

Isabella Woldrich: Natürlich träumen wir noch alle davon, aber das war bei der niedrigen Lebenserwartung von früher auch noch leichter machbar. Bei einer momentanen Lebenserwartung von über 80 Jahren wird es schon schwieriger, bei der Stange zu bleiben. Der Trend geht wieder stärker in Richtung Wunsch nach Langzeitbeziehung. Das ist sicherlich auch möglich, allerdings sollte dafür die gute „Beziehungspflege“ nicht zu kurz kommen. Man nimmt sich inzwischen einen Ernährungs- und Fitnesscoach. Warum nicht auch einen Beziehungscoach? 

Von Daniela Ullrich