Es geht nicht um Sex! Was es wirklich braucht für das berühmte Knistern.

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Geht es immer um Sex, wenn es um „guten Sex“ geht? Nein, so Sexualberaterin Helga Speigner. Über die magischen Zutaten für eine knisternde Beziehung.

„Bist du frisch verliebt? Du strahlst ja so!“ Diese Schmetterlinge im Bauch verblassen im Lauf der ersten Jahre. Doch was wäre, wenn man sich dieses Gefühl bewahren könnte? Über das berühmte Knistern in der Beziehung und warum es dabei nicht vorrangig um Sex und ausgefeilte Techniken geht. 

Sanftes Kerzenlicht, die Gläser klirren, ein Lächeln schwebt zum Gegenüber. „Wer sich Augenblicke wie diese regelmäßig gönnt, wird das Knistern noch lange spüren“, erzählt Sexualberaterin Helga Speigner. „Sich Zeit nehmen füreinander? Aber da sind doch die Kinder, der Job und die Freunde – da bleibt doch keine Zeit mehr für die Beziehung. Ich will einfach nur Netflix aufdrehen“, denkt man sich im Stillen. Endlich einmal Ruhe haben für die nächsten Stunden. 

Was empfiehlst du, wenn ein Paar wieder dieses Knistern spüren will, diese Lust aufeinander – Weil es merkt, dass die Beziehung immer mehr als „Arbeit“ erlebt wird?

Helga Speigner: Erstens, eine Beziehung soll sich nicht nach Arbeit anfühlen. Für das berühmte Knistern braucht es allerdings schon etwas Nachschub an Feuerholz. Ich empfehle folgende Dinge für den Anfang:

1. Wissen, wer ich bin und was ich will.

Das ist die Basis für alles weitere. Jeder sollte sich regelmäßig Zeit nehmen für seine persönliche Entdeckungsreise. Wer bin ich eigentlich? Was will ich wirklich? Und dies dann einfach anzunehmen. Wie möchte ich behandelt werden? Berührt werden? Was mag ich ausprobieren? Hier empfehle ich, zuzulassen, was an Wünschen kommt. Wir konzentrieren uns viel zu oft darauf, was uns stört. Besser ist es, sich hier ehrlich zu fragen, was man wirklich will. Diese Art von Selbstreflexion ist wie ein innerer Kompass.

2. Aussprechen, was ich mir wünsche und was mir gefällt.

Dieser Schritt erfordert etwas Mut. Sich gegenseitig erzählen, was man sich wünscht, öffnet die Tür zu echtem Austausch. Sich von Sehnsüchten erzählen, sich miteinander diesen Rahmen zu schaffen, wo alles ausgesprochen werden kann ohne Wertung, das bringt das Feuer zurück. Das können sexuelle Fantasien sein, der Wunsch nach mehr Berührung oder ganz alltägliche Dinge. Ob es unrealistisch ist oder realistisch, ist hier nicht so wichtig. Es geht mehr um das Sich-Öffnen im tiefen Vertrauen.

3. Kleine zärtliche Gesten jeden Tag

Helga Speigner: Die Flamme am Lodern halten, das ist dann der praktische Teil. Der Kuss am Morgen, sich beim Vorbeigehen zärtlich über den Rücken streicheln, der liebevolle Blick über den Küchentisch hinweg, das Zusammenkuscheln vor dem Einschlafen. Das hat nichts mit Sextechnik zu tun und bereitet doch das Bett für echte Nähe. Für einen weiteren Boost sorgen kleine Nachrichten, die man sich schickt – gerne auch erotische, wenn sich das beide wünschen – das belebt die Beziehung und schafft echte Vorfreude auf das Wiedersehen. 

Das bedeutet, dass es auf echte Nähe ankommt, auf Ehrlichkeit und auf – tägliche Übung?

Helga Speigner: Ja, es kommt auf die Zeit an, die man sich füreinander nimmt. Den Respekt, den man sich gegenseitig schenkt. Die fixen Paar- Zeiten im Terminkalender. Zeit und Raum, wo aus der Partnerschaft mit einem Mal wieder die gemeinsame Entdeckungsreise wird, mit den Schmetterlingen im Bauch, wie ganz am Anfang.

Zur Expertin: Helga Speigner ist Diplomierte Sexualberaterin und Sexualpädagogin seit 2002 sowie Leiterin des Frauengesundheitszentrum Linz.

Von Sonja Wöhrenschimmel-Wahl