„Zu Hause fühle ich mich hier und dort“ Wahlheimat Österreich

Christian Stemper / Rubina Habak
Was bedeutet für dich Heimat und zu Hause sein?

Aufgewachsen in Belgrad, wohnhaft in Wien – zu Hause fühlt sich Jana Vladušić an beiden Orten. Geboren ist sie ursprünglich in Sarajevo. Und heute? Arbeitet sie im Team Frauenförderung für den Österreichischen Integrationsfonds. Im Interview verrät sie uns, wie ihr eigener Lebensweg ihre Integrationsarbeit inspiriert, warum Österreich ihre Wahlheimat ist und was sie im Land noch unbedingt sehen und erleben will.

„Karfiol“, „Schlagobers“, „Paradeiser“: Wie viel kannst du mit diesen Begriffen anfangen? ;-)

Jana Vladušić: Diese Wörter waren für mich ziemlich einfach, einerseits weil ich Deutsch direkt in Österreich gelernt habe, anderseits weil diese auf Serbisch ähnlich sind: karfiol, paradajiz, šlag. Meine deutsch-österreichische Freundin sagt mir immer, dass sie mich dafür bewundert, wie leicht mir diese Wörter von der Zunge gehen. Da sie für sie immer noch eine Herausforderung darstellen und sie oft eine Übersetzung benötigt. 

Wo in Österreich bist du jetzt zu Hause und wo kommst du ursprünglich her?

Jana Vladušić: Ich bin in Sarajevo geboren, aber in Belgrad aufgewachsen, da wir eigentlich als bosnische Flüchtlinge nach Serbien geflüchtet sind. In Österreich bin ich in Wien zu Hause. Und so sehr ich diese Stadt auch liebe, überlege ich mir ab und zu, wenn ich beispielsweise in Gmunden bin, dorthin zu ziehen – vor allem wenn ich die Energie der Natur des Traunsees und die dortige Mentalität spüre.

Wo liegen für dich die größten Unterschiede? Was gefällt dir hier besser und was vermisst du hin und wieder?

Jana Vladušić: Alles ist anders. In Belgrad ist die Familie, Chaos und wir als Menschen und auch die Stadt sind sehr laut. Während hier in Österreich Ordnung, Ruhe und Stabilität herrscht. Ich habe jahrelang versucht mich zu entscheiden, wo mein zu Hause ist – nach 10 Jahren bin ich auf die Antwort gekommen, dass ich dort und hier zu Hause bin und wie glücklich ich mich schätzen kann, all das in meinem Leben zu haben.

Was macht Österreich zu deiner Wahlheimat? Wie kam es dazu?

Jana Vladušić: Einerseits war ich sehr neugierig und habe viel von der Universität Wien gehört, anderseits war die Lebensqualität in Serbien und Belgrad aufgrund der politischen Situation dort nicht gut. Deswegen wollte ich versuchen meinen Weg anderswo zu finden. Ich war sehr ambitiös – die Idee war, dass ich das Studium in Wien absolviere und nach Serbien zurückkomme, um mein Land zu unterstützen. Aber die Perspektiven in Serbien waren leider sehr schwach und mein Weg in Österreich hat sich spontan weiterentwickelt.

Hand aufs Herz: Hättest du dir vorher vorstellen können, solange hier zu bleiben?

Jana Vladušić: Meine Familie und Freunde fragen mich noch immer, wann ich „nach Hause“ zurückkomme. Ich habe aber meinen Sinn in Österreich gefunden, indem ich Menschen durch meine Arbeit unterstützen kann, die nach Österreich kommen. Genauso wie auch ich vor Jahren hierher kam. Diesen Integrationsprozess selbst durchzugehen und zu erleben und jahrelang im Integrationsbereich zu arbeiten, also beide Perspektiven zu kennen, ermöglicht mir, meine Arbeit erfolgreich zu machen und das ist mir am wichtigsten.

Was möchtest du in diesem Land unbedingt noch sehen oder erleben?

Jana Vladušić: Dass die Österreicherinnen und Österreich das „š“ und „ć“ korrekt aussprechen. :-)

Von David Bauer