Schreiben, fragen, schenken! 5 Tipps, damit unsere Erinnerungen nicht verschwinden

Claudia Ribisel
Wie bewahrst du Erinnerungen am liebsten auf? Diese 5 Tipps helfen dir bestimmt!

Jede:r von uns hat seitenweise Erinnerungen: Kinderkram, Jugendsünden, Karrieresprünge, Familienlegenden. Das können ganz alltägliche Dinge sein wie das Lieblingsessen der Kindheit, das erste Moped, das liebste Kleidungsstück – oder auch große Auftritte wie ein gelungenes Bewerbungsgespräch, die eigene Hochzeit oder die Geburt eines Kindes. Es gibt aber auch kollektive Erinnerungen an gesellschaftliche und politische Ereignisse. Wer erinnert sich nicht an den ersten Lockdown am Beginn der Corona-Pandemie. Und wo warst du an dem Tag, als die Twin Towers in New York einstürzten?

Egal, was es ist. Für Claudia Riedler-Bittermann sind alle Erinnerungen wert, aufgeschrieben zu werden. Sie ist Auftrags-Biografin, schreibt und gestaltet Lebensgeschichten als Bücher, und hält Seminare für biografisches Schreiben. „Texte übers Leben sind ein guter Einstieg fürs Schreiben und die Beschäftigung mit den Erinnerungen kann sehr inspirierend sein“, sagt die Linzerin und rät, es einfach selbst auszuprobieren:

 #1 Tagebuch schreiben

Der vertrauteste Ort für biografisches Schreiben ist das Tagebuch. Im schönen, oft abschließbaren Büchlein schreiben wir so biografisch und authentisch wie sonst kaum wo. „Wenn man als Biografin auf Tagebuch-Texte zurückgreifen kann, ist das eine besondere Freude“, sagt Riedler-Bittermann. So pur und unmittelbar können die Erlebnisse danach nie wieder beschrieben werden. So ein Tagebuch hat viele Funktionen. Man bewahrt Erinnerungen an wichtige Ereignisse auf, und schreibt sich Gedanken und Gefühle von der Seele, um sie vielleicht später zu reflektieren. Ein Tagebuch bringt aber auch Schreibroutine und bietet Platz für schreiberische Experimente. Man kann neue Textformen ausprobieren, dichten, mit der Sprache spielen, Wörter neu ordnen … und das alles ganz geheim, wenn man das möchte.

#2 Eltern und Großeltern befragen

Ach, hätte ich doch gefragt, als sich meine Oma noch erinnern konnte! Viele bemerken erst dann, was sie alles von ihren Vorfahren wissen möchten, wenn es zu spät ist. Mit einer Demenzerkrankung oder dem Tod verschwinden die Erinnerungen. Riedler-Bittermann rät deshalb, früh mit dem Fragen zu beginnen: „Viele ältere Menschen freuen sich, wenn man Interesse zeigt und erzählen gern über die alten Zeiten.“ Damit die Geschichten nicht vergessen werden, sollte man sie aufnehmen oder mitschreiben. Solche Ton- und Text-Dokumente können später eine gute Grundlage für eine Biografie in Buchform sein.

#3 Erinnerungen wecken

Wenn die Erinnerungen ein wenig verschüttet sind, gibt es zahlreiche Hilfsmittel, um sie freizuschaufeln. Beim Blättern im Fotoalbum kommen sie fast wie von selbst. Bilder erzählen Geschichten, die man nur noch aufschreiben muss. Auch Musik von früher kann die Szenen im Kopf wieder aufleben lassen. Und Gerüche. Von ihnen geht eine besondere Macht aus. „Das passiert oft ganz unmittelbar und unbewusst, dass Lieder oder auch bestimmte Düfte Erinnerungen wecken“, sagt Riedler-Bittermann und gibt noch einen Tipp: Wer seine Kindheit wieder ins Gedächtnis rufen möchte, kann auch an die Orte des Erlebens zurückkehren. Ein Besuch im Heimatort, in der alten Schule, am Schulweg oder an einem anderen Lieblingsort der Kindheit hilft den Gedanken an damals oft auf die Sprünge.

#4 Schreibworkshop besuchen

In der Gruppe zu schreiben, kann inspirierend sein. Wer einen Schreib-Workshop besucht, nimmt sich Zeit für das Schreiben und bekommt zusätzlich Impulse, die einen Schreibfluss auslösen können. „Oft fehlt der Kick fürs erste Wort, für die ersten Sätze. Um die berühmte Angst vor dem weißen Blatt Papier zu umgehen, schreiben wir häufig auf bunten Zetteln“, sagt Seminarleiterin Claudia Riedler-Bittermann. Ganz erstaunlich sei außerdem, wie durch das Schreiben selbst Erinnerungen geweckt werden. Eine große Rolle spielt dabei das absichtslose Schreiben – wer bereits einen fixen Plan im Kopf hat, hemmt dadurch nur die Kreativität. Mit vielfältigen Methoden werden Fantasie und Erinnerung gleichermaßen ins Rollen gebracht.

#5 Wortreiche Geschenke

Erinnerungen kann man aufbewahren, man kann sie aber auch weitergeben und es gibt kein persönlicheres Geschenk als einen biografischen Text. Dafür muss man kein:e Schriftsteller:in sein, sondern einfach in der eigenen Schatzkiste der Erinnerungen kramen und aufschreiben, was man findet. Ob in Gedichtform oder als Geschichte, ob als Text zum Fotobuch oder in einem Kalender – es gibt viele Möglichkeiten für ein Erinnerungsgeschenk. Tipp der Biografin: „Schreibe zuerst mit der Hand. Das hilft den Erinnerungen besonders gut auf die Sprünge, regt den Schreibfluss an und auch die Kreativität.“

Von Claudia Riedler-Bittermann