Generationenvergleich: Wie viel Klischee ist tatsächlich Realität?

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Babyboomer gelten als pünktliche Arbeitstiere, die Generation Z als wechselhafte Digital Natives. Wieviel ist dran an diesen Klischees?

Die einen können nicht mit Technik umgehen, die anderen hängen hingegen den ganzen Tag nur am Smartphone – bei Babyboomern und der Generation Z treffen spürbar zwei Welten aufeinander. Aber wie viel ist wirklich dran an den Vorurteilen? Wie entsteht eine „Generationenidentität“ und wie wirkt sich diese auf unser (Berufs-)Leben aus? Darüber sprechen wir mit Generationenforscher Rüdiger Maas, Gründer und Vorstand des Instituts für Generationenforschung, im Interview.

Wie entwickelt sich eine „Generationenidentität“ und welche Faktoren sind entscheidend dafür?

Rüdiger Maas: Erst mal sind wir unabhängig von Jahrgang, Ort und Sozialisation immer Individuen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten. Streng genommen müssen wir uns auch von den Generations-Einteilungen „X, Y, Z“ und den fünfzehn Jahreseinheiten trennen. Wir sehen sehr starke Annäherungstendenzen beim Ankreuzverhalten der Generation X und Y, aber auch bei Generation X und Babyboomer. Manchmal sogar bei Generation Z und Y – es hängt meist von den Themen ab. Dennoch haben wir nun über die Jahre der Forschung altersunabhängige Unterschiede ausmachen können. Vor allem während der Corona-Krise konnten wir das sehr gut untersuchen.

Wo liegen die größten Unterschiede zwischen den Generationen?

Rüdiger Maas: Was man festhalten muss, ist, dass die Generationen Z und die Babyboomer bei unseren Umfragen etwas herausstechen. Hierbei sind zwei wichtige Sozialisationsfaktoren zu berücksichtigen, die viele Verhaltens- und Denkweisen dieser Alterskohorten geprägt haben. Die Generation der Babyboomer ist die größte Alterskohorte seit dem Zweiten Weltkrieg und war es immer gewohnt, dass es viele Gleichaltrige gibt. Das prägte den Schulalltag, das Studium, die Arbeitssuche, das Bewerbungsgespräch und die Arbeit selbst. Des weiteren wurde vieles aus dem Zweiten Weltkrieg nicht aufgearbeitet – Eltern waren sehr starke Abgrenzungsobjekte. Das genaue Gegenteil ist heute die Generation Z. Sie ist die kleinste Alterskohorte und ihre Eltern sind eben keine Abgrenzungsobjekte mehr, sondern beste Freunde, Berater und Supporter.

Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf unsere Ansichten?

Rüdiger Maas: Während Babyboomer froh waren, eine Job-Zusage bekommen zu haben, ist es für die Generation Z nahezu selbstverständlich, sich den Arbeitsplatz selbst aussuchen zu können. Es gehen weitaus mehr Menschen in Rente als nachrücken. Das ergibt auf dem Arbeitsmarkt ein großes Delta, das der Gen Z einen Vorteil bietet. Politisch sieht es da anders aus: Die Jungen sind zu wenige, um gegen die Masse der „Alten“ anzukommen. All das sind, neben der Digitalisierung, sehr prägende Faktoren. Die Generation Z ist komplett mit Social Media Interaktionen aufgewachsen, die Babyboomer komplett analog auch bis ins Erwachsenenalter hinein. Auch das sind zwei völlig prägungsunterschiedliche Komponenten.

Bei Diskussionen über die Arbeitswelt tauchen Generationen nicht immer nur mit positiven Konnotationen auf. Gibt es Stereotype?

Rüdiger Maas: Ja, da treffen die Babyboomer, die sich auch im höheren Alter noch unersetzbar fühlen, auf die junge Gen Z, die Arbeit und auch das jeweilige Unternehmen nicht als Lebensaufgabe sehen. Die Prägung ist so unterschiedlich, dass vieles auch gar nicht mehr adäquat übersetzt werden kann. Junge haben in vielerlei Hinsicht mittlerweile unterschiedliche Denk- und Wahrnehmungsstrukturen entwickelt.

Wie stark beeinflusst der Zeitgeist die Arbeitsweise der verschiedenen Generationen, auch im Vergleich mit individuellen Charaktermerkmalen?

Rüdiger Maas: Die Generation Z ist ein Spiegel unserer Gesellschaft – unsere Gesellschaft wiederum spiegelt den Zeitgeist wider. Dieser bringt aber auch mit sich, den Jungen auf Augenhöhe zu begegnen, sozial erwünschter zu agieren und globaler zu denken.

Wann sollten die Charakteristika einer Generation bei der Kommunikation im professionellen Kontext berücksichtigt werden und wann sollte eher individuell kommuniziert werden?  

Rüdiger Maas: In einem vier-Augen-Dialog sollte immer individuell kommuniziert werden. Es gilt aber mittlerweile, die genannten unterschiedlichen Prägungen zu berücksichtigen. Ein Beispiel: Ältere werfen den Jungen oft Unverbindlichkeit und ein Fehlen an weiteren Tugenden wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit vor. Aus Sicht der Jungen ist das gar nicht so. Ich versuche das anhand eines Beispiels zu übersetzen: Die Gen Z wachsen in einer Welt auf, in der jederzeit alles abrufbar ist und sich Dinge sekundenschnell ändern können. Keiner muss bis 20 Uhr 15 warten, um im ORF einen tollen Film zu sehen. Die einzige Sorge, die mich nun als junger Mensch umtreibt: Habe ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit den besten Film angeschaut?

Wirkt sich das auch auf andere Bereiche aus?

Rüdiger Maas: Dieses Überangebot an Möglichkeiten sorgt nicht gerade dafür, dass ich nun glücklicher bin mit meiner Entscheidung – deshalb ist es auch für alle legitim, wechselhaft zu sein. Diese Erfahrung hat die Gen Z nun ihr Leben lang gemacht und das überträgt sich natürlich auch auf die Arbeit. Nun stellen Sie sich vor, ein Kollege geht zum Buffet und sagt, er möchte ein Tiramisu holen. Zurück kommt er jedoch mit einem Pudding. Sie würden sofort denken, er hat den Pudding für sich als bessere Option wahrgenommen. Es wäre also in Ordnung und nachvollziehbar. Sie würden ihn nicht als Wortbrecher oder unverbindlich abstempeln. Mit diesem Beispiel müssen Sie nun einen Transfer in die Welt der Generation Z machen.

Von Valentin Bayer