Geht nicht? Glaub ich nicht!

(c) Julian Walkner Ruetz River Tyrol
Anne Stevens eröffnete das einzige Raftingunternehmen im Stubaital.

Alle sagten, das geht nicht. Das Raften auf der Ruetz, dem knapp 39 kilometer langen Fluß im Stubaital. Dann kam Anne Stevens aus dem hohen Norden Deutschlands und zeigte vor, wie‘s geht. Seit fünf Jahren leitet die Ostfriesin nun das einzige Raftingunternehmen in der Region. Was alles möglich ist, wenn man sich nur traut, erzählt sie im Gespräch mit uns.

Wie war dein Weg vom hohen Norden nach Tirol?

Anne Stevens: Nach Tirol hat mich das Kajakfahren gebracht – Tirol ist tatsächlich eine der besten Gegenden auf der ganzen Welt für Wildwasser Kajakfahrer. Es gibt kaum andere Orte, wo so viele Flüsse mit verschiedensten Schwierigkeitsstufen so leicht erreichbar sind. Man kann das ganze Jahr über Kajakfahren, wenn man möchte. Ich wohne seit mittlerweile zehn Jahren in Innsbruck und pendle im Sommer für die Arbeit ins Stubai.

Wo du ein Raftingcenter gegründet hast.

Anne Stevens: Genau. Zur Erklärung: Kajaks sind die kleineren Boote, wo man einzeln drinsitzt, aus festem PE (Anm.: Polyethylen). Kajakfahren ist mein großes Hobby. Rafts sind die großen, mit Luft gefüllten Boote, mit denen man in der Gruppe fahren kann. Das ist mein Business, wo ich quasi als Busfahrer agiere.

Was ist das Coole am Raften?

Anne Stevens: Dass man Menschen, die gar keine Erfahrungen mit Wildwassser haben, trotzdem mit auf den Fluss nehmen kann.

Die 38,8 km lange Ruetz ist laut Staubaier unraftbar. Wie bist du darauf gekommen, es trotzdem zu probieren?

Anne Stevens: Die Stubaier hielten die Ruetz für nicht raftbar, zumindest nicht kommerziell, weil es einfach noch nie jemand gemacht hatte. Ich versteh das auch nicht, ehrlich gesagt. Nach Tirol kommen die Touristen halt eh so auch – ich habe manchmal das Gefühl, es gibt da gar nicht so den Anreiz, jetzt noch großartig etwas Neues auf die Beine stellen zu wollen.

Wie entstand die Idee für dein Raftingunternehmen?

Anne Stevens: Das war eher eine Schnapsidee, um auf den touristischen Wert des Flusses aufmerksam zu machen und den Stubaiern zu zeigen, dass es Wert ist, um ihr Wasser zu kämpfen. Das Wasser der Ruetz soll zur Energiegewinnung aus dem Stubaital ausgeleitet werden und ins 40 Kilometer entfernte Kraftwerk im Kühtai abgeleitet werden. Das ist aus ökologischer Sicht wahnsinnig und auch noch nicht mal aus Energiegewinnungssicht sonderlich sinnvoll. Zusätzlich aus touristischer Sicht fragwürdig, da sich das Stubaital mit seinem „Wilde Wasser Weg“ Projekt touristisch ganz klar flussnah positioniert hat. Die geplanten Ausleitungen werden die Ruetz quasi trockenlegen und auch die flussabwärts liegenden Schluchten der Ruetz und Sill werden dann für Kajakfahrer nicht mehr befahrbar sein. Die lokalen Kajakfahrer stemmen sich seit rund zehn Jahren gegen das Kraftwerksprojekt.

Die Flachländerin zeigt also den Bergfexen wie es geht? Mit welchen Herausforderungen hattest du anfangs besonders zu kämpfen?

Anne Stevens: Ich bin relativ blauäugig ans Stubai rangegangen und war mir sicher, dass das Rafting super angenommen wird. Die größte Herausforderung war es auszuhalten, dass die Einheimischen, zumindest die ersten zwei, drei Saisonen, nichts davon wissen wollten. Das war wirklich frustrierend und traurig. Da kommt halt wer mit einer neuen Idee daher, und dann auch noch eine Frau, keine Einheimische, sondern um Himmels Willen auch noch Deutsche *lacht*. Die Stubaier haben wirklich jahrelang erzählt, Rafting im Stubai würde nichts taugen, die Hoteliers haben ihre Gäste weiter ins Oberland und ins Ötztal zum Raften gebracht. Manche machen es heut noch – aber mittlerweile haben wir so viel zu tun, dass es mich nicht mehr stört.

Was fasziniert dich so am Element Wasser?

Anne Stevens: Kajakfahren ist der beste Sport, den man sich vorstellen kann. Ich hab noch eine Menge andere Hobbys und finde viele Outdoorsportarten super – aber nichts kommt ans Kajakfahren ran! Der Fluss hält nicht an und zwingt dich zu 100 Prozent Konzentration. Kajakfahren bringt einen an Orte, an die man sonst nie kommen würde. Es gibt selbst in direkter Umgebung von Innsbruck Schluchten, die man kaum begehen, sondern nur mit dem Kajak befahren kann. 

Womit kannst du deine Kunden immer wieder überraschen?

Anne Stevens: Die Ruetz ist tatsächlich wilder als sich das 99 Prozent der Gäste vorstellen. Es ist lustig, wie die Gäste immer an den gleichen Stellen plötzlich hektisch werden, weil sie merken, dass es doch ganz schön zugeht.

Und womit überrascht dich der Fluss immer wieder mal?

Anne Stevens: Damit, dass er immer 100 Prozent Aufmerksamkeit abverlangt. Und dass er einen defintiv überrascht, wenn man mal eine Sekunde nicht hundertprozentig da ist.

WORTGEWAND(T)

Mein Ritual, um gut in den Tag zu starten_Ganz ehrlich? Zwei Becher Kaffee, ein Nutella Brot und so lange auf's Handy starren, bis man fast zu spät ist.

Am meisten Energie gewinne ich mit_ immer in Bewegung zu bleiben. Ich bin manchmal selber erstaunt, wie viel Energie man in der Saison hat und die Müdigkeit erst so richtig spürt, wenn die Saison vorbei ist.

Das zieht mich richtig runter_Die Trägheit der Menschen. Der Unwillen für Neues offen zu sein und die Angst vor Veränderung.

Meine drei größten Learnings_Ich wünschte, ich hätte diese Learnings schon hinter mir, aber das sind eher Dinge, die ich kontinuierlich versuche umzusetzen: Ich grüble, plane und stresse mich selbst viel zu viel. Ab einem gewissen Punkt muss man es auch einfach mal laufen lassen. Ich selber, und ich glaube Frauen im Allgemeinen, trauen sich oft viel zu wenig zu und zweifeln viel zu sehr an sich. Auch wenn das schwer ist, man muss versuchen, die Selbstzweifel abzustellen. Man kann viel mehr schaffen als man sich selbst zutraut. Ich kann weder jedem gefallen, noch es jedem recht machen und das ist okay. Sowohl privat als auch beruflich. Man kann mit exakt dem gleichen Angebot 99 Kunden glücklich machen, aber es wird immer jemanden geben, dem es nicht gefällt.

Das würde ich ändern, wenn ich die Macht dazu hätte_Ich denke, wir könnten wirklich alles zum Besseres verändern, in Wirklichkeit gibt es das Geld, die Ressourcen, die Möglichkeiten – wenn die Menschen nur nicht so träge und unwillig dafür ein bisschen offener für Veränderung wären.

Von Daniela Ullrich