Von der Straße auf die Schiene? Klimaschutz mal anders

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Zukunftshoffnung Bahnverkehr?

Klimaneutralität bis 2040 und den EU Green Deal bis 2050 erfüllen – Österreichs Klimaziele sind ambitioniert. Könntest du dir vorstellen, in Zukunft nur noch mit der Bahn zu fahren? Immerhin spricht die Nachhaltigkeit für sich: Im Schnitt verursacht es 15-mal weniger klimaschädliches CO2 als Autofahren. Doch wie „grün“ ist die Bahn als Alternative wirklich? Und ist der zunehmende Umstieg von der Straße auf die Schiene eine mögliche Antwort auf die Klimakrise?

Um den Green Deal zu erfüllen und in Europa das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, trägt die Europäische Kommission ihren Teil bei. 2021 wurde offiziell zum „Jahr der Schiene“ ausgerufen.

Die ÖBB nutzen diesen Impuls für neue Investitionen – langfristig ist sogar eine Verdopplung der Leistungen im Güterverkehr auf der Schiene geplant. Bis 2026 werden in den Ausbau und die Modernisierung des Bahnsystems rund 25 Milliarden Euro fließen. „Das Europäische Jahr der Schiene ist ein starkes Signal der Europäischen Union und der europäischen Mitgliedsstaaten für die Bedeutung des Bahnsektors in der Mobilitätswende“, sagt ÖBB-CEO Andreas Matthä. „Nur durch eine konsequente Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene und den Ausbau des internationalen Schienenpersonenfernverkehrs kann Europa seine Klimaziele erreichen und den europäischen Green Deal zu einem Gesamterfolg machen“, erläutert er die beschlossenen Investitionen weiter.

Wie „grün“ ist die Bahn wirklich?

Rechnet man die Emissionen pro Person und Kilometer, zeigt sich ein eindeutiges Bild: Autofahrer verursachen rund 218 Gramm CO2, Bahnfahrer lediglich acht Gramm. Die Verhältnisse verschieben sich, je nachdem wie viele Menschen sich im Zug oder Auto befinden. In der Summe aller Transportleistungen, sprich im Personen- und Güterverkehr, spart die ÖBB dadurch rund dreieinhalb Millionen Tonnen pro Jahr an CO2 ein. Wie viel ist das genau? Es bräuchte einen Wald, der fünf mal so groß wie Wien ist, um die Menge an Emissionen zu binden, die allein der ÖBB Personenverkehr jährlich einspart. Vom Güterverkehr auf den Straßen ganz zu schweigen. Schätzungen zufolge wird dieser in ganz Europa bis 2030 um weitere 30 Prozent steigen – rund eine Million mehr LKWs werden bis dahin erwartet. „Jede Tonne, die auf Schienen statt auf der Straße fährt, spart sofort CO2 ein. Das ist der wirksamste Weg, den Verkehrssektor raschest möglich zu dekarbonisieren“, ist sich Matthä sicher.

Kein Klimaschutz ohne Konzept

Bereits seit 2018 fahren Österreichs Züge vollumfänglich mit Ökostrom. Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit ist erfreut über dieses Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. „Die ÖBB sind schon jetzt das größte Klimaschutz-Unternehmen Österreichs. Mit dem Umstieg auf 100 Prozent grünen Bahnstrom haben die ÖBB den ersten Schritt gesetzt, um künftig völlig klimaneutral unterwegs zu sein. Dabei werden wir die Bahn unterstützen. Gemeinsam machen wir die Fahrgäste zu Klimaheldinnen und Klimahelden.“

Andere Bahnbetriebe, wie die Deutsche Bahn, machen hingegen häufiger Negativschlagzeilen. Sie decken nachweislich nur einen Bruchteil ihres Energieaufwands durch Ökostrom. Vor allem Bahnhöfe und Büros sowie der Güterverkehr werden laut Statistik außerhalb Österreichs überwiegend durch herkömmlichen Strom, meist aus Kohle gewonnen, betrieben. Bahnfahren ist demnach nicht automatisch „grün“ – es geht über die Schiene hinaus und bedarf eines Konzepts der Nachhaltigkeit.

Klimaschutzstrategie 2030

Entscheidend ist nämlich, dass sich die ÖBB ihrer Rolle einer möglichen Verkehrswende bewusst sind. Durch die Klimaschutzstrategie 2030 soll noch in diesem Jahrzehnt die vollständige CO2-Neutralität des Mobilitätssektors umgesetzt werden. Das Streckennetz wird zunehmend elektrifiziert, alternative Antriebstechnologien werden gefördert und erneuerbare Energien immer effizienter genutzt. Die Mühe lohnt sich.

Erst kürzlich erzielte das österreichsiche Bahnunternehmen den ersten Platz im internationalen Rating der führenden Agentur im Bereich Corporate Responsibility (ISS ESG) – bereits zum vierten Mal in Folge. Insgesamt wurden 55 internationale Transport-Infrastrukturunternehmen bewertet. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zeigte sich erfreut: „Als Rückgrat des öffentlichen Verkehrs in Österreich, sorgt die Bahn tagtäglich dafür, dass die Menschen sicher und klimafreundlich von A nach B kommen – und hält dabei auch in schwierigen Zeiten unser Land am Laufen. Und es zeigt sich: Investitionen in Klimaschutz zahlen sich aus und kommen unserer Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt zugute“.

Fairer Wettbewerb als notwendige Grundlage

Doch zum Gelingen der Verkehrswende bedarf es mehr als Investitionen in die Infrastruktur und eine Klimaschutzstrategie. Wo ist im Wettbwerb der Mobilität noch Luft nach oben? „Die Schiene zahlt bis zur letzten Meile Maut, aber es gibt immer noch ein Dieselprivileg für die Straße und Flugtickets sind steuerbegünstigt, wohingegen für internationale Bahntickets die volle Mehrwertsteuer zu bezahlen ist“, kritisiert Matthä den Status quo. Es brauche daher einen fairen Wettbewerb. „Europas Bahnen machen ihre Hausaufgaben und arbeiten gemeinsam täglich an der Verbesserung des Bahnsystems. Dafür brauchen wir die Unterstützung der EU und ihrer Mitgliedsstaaten“, so Matthä abschließend.

Festzuhalten bleibt, wenn ein nachhaltiges Konzept die Grundlage bildet, ist Bahnfahren eine wichtige Stellschraube in Sachen Klimaschutz. Das bedeutet nicht automatisch, dass jeder von uns in Zukunft nur noch mit dem Zug von A nach B kommen soll. Denn auch der langfristige Umstieg des Güterverkehrs ist vielversprechend. Österreich kann bei der Mobilitätswende, von der Straße auf die Schiene, zum Erreichen der Klimaneutralität in der EU als Beispiel vorangehen.

Von David Bauer