Rückkehr der Wölfe – wenn ein Teil der Natur auf unsere moderne Welt trifft

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Ein alter Bekannter kehrt in Österreichs Wälder zurück.

Die Wölfe kehren zurück. Was sich im ersten Moment nach einem mittelmäßig spannenden Horrorfilm anhört, ist in Österreich seit gut zehn Jahren Realität. Schätzungen zufolge leben hierzulande aktuell rund 40 Tiere, zwei Rudel wurden in Niederösterreich offiziell bestätigt.

Herbert Strolz ist Schäfer und Landwirt. Gemeinsam mit WWF-Experte Christian Pichler zeigt der Vorarlberger Hirte, wie Almwirtschaften mit dem von vielen gefürchteten Beutegreifer umgehen können. Gelingt uns so in Zukunft ein friedliches Miteinander mit dem Wolf?

Wölfe gelten in der EU als streng geschützte Tierart. Sprich, im Umgang mit ihnen müssen stets geltende Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Die oberste Regel lautet: Herdenschutz vor Wolfsabschuss. Letzteres ist durch die strikten gesetzlichen Auflagen nahezu immer illegal, der Schutzstatus nicht verhandelbar. Die Rücksicht macht sich bezahlt – der Wolf kehrt nach und nach zurück. Bei seiner Rückkehr gehört Österreich zu den letzten Ländern in Europa. Die Populationen fallen in unseren Nachbarländern, wie Italien (2.700 Wölfe) oder mit 500 Exemplaren jeweils in Frankreich und Deutschland, deutlich höher aus.

Doch trotz der (noch) geringen Zahlen in Österreich, stellen die Angriffe auf Nutztiere für viele ein Problem dar. „Freude haben wir keine mit den Wölfen. Auf unseren Almen wirtschaften wir schon jetzt unter schwierigsten Bedingungen. Wenn der Wolfsdruck steigt, bringt es das Fass zum Überlaufen. Aufgeheizte Emotionen und Rufe nach Abschuss bringen uns aber nicht weiter. Selbst, wenn man illegal schießt, kommt ja der nächste“, erklärt Herbert Strolz das Dilemma. Deshalb bemüht sich der Landwirt aktiv, das Problem stattdessen konstruktiv anzugehen. Ein Blick in die Schweiz verrät ihm, dass trotz vergleichbarer Almstrukturen und viel mehr Wölfen, das Problem im Nachbarland deutlich kleiner ist. Woran liegt das?

Illegaler Abschuss? Scheinbar keine gute Idee…

Illegale Abschüsse sind jedenfalls nicht die Antwort auf diese Frage. „Wenn Abgeordnete in Landtagen oder Jäger und Jägerinnen den illegalen Abschuss von Wölfen als lustiges Kavaliersdelikt sehen, so stellen sich diese Personen damit außerhalb des Rechts“, kritisiert Martin Galluch, Obmann des Vereins gegen Tierfabriken. Stattdessen setzen die Schweizer auf eine ganzheitliche Lösung. Die Rückkehr des traditionellen Hirtenwesens spielt dabei eine entscheidende Rolle. Behirtung im steilen Alpengelände, bestenfalls sogar mit einem Herdenschutzhund. Am Ende des Tages solle man außerdem die Schafe in einen eingezäunten Nachtpferch treiben, lautet Strolz‘ Empfehlung.

Woran hakt‘s?

Was aufwendig klingt, ist es meist auch. Für die Landwirte bedeutet das nämlich ein hohes Maß an Eigenverantwortung- und finanzierung, weiß Strolz. Das Problem in Österreich: Die rechtlichen Rahmbedingungen sind bürokratische Hürden und die Förderungen nicht ausreichend. „Die Almwirtschaft braucht dringend mehr Unterstützung durch die Politik. Die Herausforderungen sind seit Jahren bekannt, die Lösungen auch. Es muss endlich mehr passieren“, beschreibt WWF-Wolfsexperte Christian Pichler die Lage. „Durch Behirtung, Schutzhunde oder Elektrozäune lernen Wölfe den Unterschied zwischen erlaubter Beute wie Rehen und verbotener Beute wie Schafen. Anders verstehen sie es nicht. Ungeschützte Herden sind und bleiben eine leichte Beute für Wölfe, obwohl sie sich zu 99 Prozent von Wildtieren ernähren“, so Pichler weiter.

Trotz emotional geführter Diskussionen, hält sich das Ausmaß streng genommen ohnehin in Grenzen. Der Schadenswert, der jährlich in ganz Österreich durch gerissene Schafe entsteht? Rund 100.000 Euro. Eine vergleichsweise niedrige Summe, die auch laut VGT seitens der Politik leicht zu kompensieren sei. Die entsprechende Petition wurde bereits mit über 16.000 Stimmen an Bundesminister Mückstein überreicht.

Was können wir tun?

Konkrete Lösungsvorschläge gibt es bereits. So hat beispielsweise das Österreichzentrum Bär Wolf Luchs kürzlich seinen Rahmenplan „Wolfsmanagement in Österreich: Grundlagen und Empfehlungen“ vorgestellt. Dabei arbeiteten Vertreter der Bundesländer und Interessengruppen aus Landwirtschaft, Jagd und Naturschutz über ein Jahr lang gemeinsam an Kompromissen und Maßnahmen. Diese sollen den zuständigen Ministerien als Werkzeug dienen – von der Prävention bis hin zur Entschädigung.

Generell gilt: „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. In vielen Ländern um Österreich herum hat es immer Wölfe gegeben und auch dort stehen Schafe auf der Weide. Faktum ist, dass in Österreich pro Jahr bis zu zehn Prozent der Schafe auf den Almen an Wetterunbill oder Krankheiten sterben, aber weniger als ein Promille der Schafe wird von Wölfen gerissen“, so Galluch. Das traditionelle Hirtenwesen könne auch gegen diese anderen Gefahren ein entscheidender Schlüssel zum Erfolg sein, ist sich Strolz sicher. „Wir brauchen Experten, die uns auf unseren Weideflächen, Voralpen und Alpen erklären, was mit der Rückkehr der Wölfe auf uns zukommt. Die uns zeigen, wie wir unsere Herden bestmöglich im alpinen Gelände schützen können“, meint der Landwirt abschließend.

Auch der WWF selbst verfolgt seit 2012 die Ziele seines sogenannten Wolfsmanagementplans. Damals wie heute lautet die oberste Priorität, das Zusammenleben bestmöglich zu organisieren. Nur so gelingt es uns langfristig, den Wolf als Teil der Natur in unsere moderne Welt zu integrieren. Wenn wir die berechtigten Sorgen unserer Bäuerinnen und Bauern ernst nehmen, sie gut informieren und unbürokratisch im Herdenschutz unterstützen, ist ein Zusammenleben mit Wölfen auch bei uns möglich“, zeigt sich WWF-Experte Pichler zuversichtlich.

Von David Bauer