Schluss mit Vorurteilen – Wie der MINT-Bereich endlich weiblich werden kann

Raphael Pröll
Lisa Cichocki geht ihren eigenen Weg und kämpft als Frau im MINT-Bereich gegen Stereotype.

Vom Studium der Molekularbiologie und Medizin in die Forschung, hin zu einem weltweit tätigen BioPharma Unternehmen und einer eigenen Initiative, die Stereotype bekämpft. Lisa Cichocki ist der lebende Beweis dafür, dass Frauen im MINT-Bereich über sich hinauswachsen können. Doch vielen jungen Mädchen und Frauen werden noch heute Steine in den Weg gelegt. Die Stem fatale Initiative widmet sich dem Kampf gegen diese Benachteiligungen. Wie genau ihnen das gelingt und vor welchen Herausforderungen das Thema Frauen in MINT noch steht, verrät uns Mitbegründerin Lisa Cichocki.

Stell dir vor, du nimmst an einer Informatik-Vorlesung teil. Im Hörsaal sitzen 100 Studierende, aber nur 17 davon sind Frauen. Klingt nach bösem Vorurteil? Ist laut Statistik aber leider Realität. Der MINT-Bereich ist eine Männerdomäne – sowohl bei den Berufen als auch Studiengängen. Wie nehmen wir uns diesem Ungleichgewicht an? Zwar gebe es keine einfache Lösung, dafür aber einen Lichtblick:Wir sehen, dass sich in einzelnen MINT-Bereichen, wie zum Beispiel den Life Sciences, das Verhältnis der Studierenden mittlerweile angeglichen hat. Doch auch hier gibt es Aufholbedarf, was die akademische Karriereleiter betrifft“, meint Lisa Cichocki.

Erfreulicherweise sei der Großteil aller AbsolventInnen in manchen Fächern weiblich. Außer in den Bereichen Mathematik und Informatik. Wieso ist die Zahl der Professorinnen trotzdem nach wie vor so niedrig? Die traurige Wahrheit: Zu wenige Frauen würden sich eine Bewerbung, geschweige denn eine Professur zutrauen.

Wie schaffen wir es daher, mehr junge Frauen für MINT zu begeistern?

Lisa Cichocki_Wir können das Interesse an MINT-Fächern bereits in der Schule früh wecken, wenn wir endlich Freude daran vermitteln.

Marie Curie als Vorbild

Sie selbst hat eben diese Erfahrung gemacht. Und dafür ist sie ihren LehrerInnen noch heute dankbar. Denn schon in der Schule war Cichocki von Wissenschaft fasziniert: „Ich hatte als Kind sehr viele Interessen: Sprachen und Literatur, Sport, aber auch großes Interesse an Medizin, Biologie und Physik. Diese Themen waren bei uns zu Hause auch immer präsent. Als ich die Biografie der Nobelpreisträgerin Marie Curie gelesen hatte, war es dann endgültig um mich geschehen“.

Die Etappen meines MINT-Weges?

Lisa Cichocki_Angefangen bei einem Studium der Molekularbiologie an der Uniklinik Graz. Schließlich von der Forschung in die Kommunikation. Immer mit dem Drang, wieder Neues zu lernen und mich weiter fortzubilden. 

Schluss mit Stereotypen

Gemeinsam mit Nicole Amberg, Postdoc der Neurowissenschaften am IST Austria, will Cichocki Vorurteile aus der Welt schaffen. Ihre Initiative STEM fatale reicht vor allem Frauen im akademischen

MINT-Bereich die Hand. Generell gebe es bei der Führungskultur einiges zu tun. Umso wichtiger sei es, „Bewusstsein für die immer noch vorherrschenden Stereotypen zu schaffen und Gespräche mit möglichst vielen Menschen zu führen. Mir geht es um das Schaffen von gleichwertigen Möglichkeiten für alle in unserer Gesellschaft – nicht nur für Frauen“, so Cichocki.

Was viele zurückhält?

Lisa Cichocki_die unbewusste, aber dennoch falsche Beurteilung einer Person.

Die „andere Hälfte“

Stehen wir uns damit eigentlich nicht selbst im Weg? Immerhin sind 50 Prozent aller Talente weiblich. Unternehmen wie Bristol Myers Squibb zeigen in erste Linie eines: Echte Gleichstellung geht eben doch! Cichocki lobt daher die Entscheidungen des Managements: „Das Bekenntnis zu Diversität und Inklusion ist Teil der täglich gelebten Unternehmenskultur. Daher haben alle Mitarbeitenden auch die Möglichkeit, sich in verschiedenen internen Gruppen zu engagieren, die auch weltweit vernetzt sind“. Sie fühle sich rundum wohl.

50 Prozent der Talente?

Lisa Cichocki_sind unverzichtbar für Unternehmen und Forschungseinrichtungen.

Kindern den Weg zeigen

Schwierige Rechenaufgaben, komplexe chemische Formeln und Programmiersprache – ist das wirklich alles? Nein. MINT-Kenntnisse sind facettenreich und vielseitig einsetzbar. Sie fördern die Denkweise, um an Aufgabenstellungen auf seine eigene Art heranzugehen. Mit einem MINT Studium

eröffnen sich laut Cichocki viele Wege, zum Beispiel in der Wissenschaft oder bei einem Forschungsinstitut. Auch in der Wirtschaft gäbe es spannende Möglichkeiten. Wir sehen also: MINT ist eine verlässliche Basis. Aber wie machen wir es jungen Mädchen schmackhaft? „Ich habe mal gelesen, dass Mädchen ihren Berufswunsch am stärksten über die Mutter oder die Lieblingslehrerin definieren“, so Cichocki. Ihrer Meinung nach liegt der Schlüssel zum Erfolg bei entsprechend ausgebildeten Lehrkräften. Außerdem müssten wir durch Angebote mehr Bewusstsein schaffen. Kinder können ihren Zugang zu MINT nur dann finden, wenn wir ihnen den Weg zeigen.

 Wie begeistern wir sie am besten?

Lisa Cichocki_durch Vorbilder, die ihre Faszination früh wecken.

#Wortgewand(t)

Frauen in MINT-Berufen_sind selbstverständlich

Als Kind habe ich am liebsten_gelesen

Mein Lieblingsfach in der Schule_Biologie, Physik, Chemie (Danke an meine LehrerInnen!)

Die wichtigsten Skills für meinen Job sind_Kreativität bei gleichzeitig strukturierter Herangehensweise – wie in der Wissenschaft

Deshalb habe ich mich für den Bereich MINT entschieden_aus Faszination an der Wissenschaft 

Das Vorbild meiner Jugend_Marie Curie

Auf meinem MINT-Karriereweg am meisten geprägt_haben mich inspirierende Role Models – Frauen und Männer!

Das „Frauen und Technik“-Klischee hinkt, weil_Klischees generell hinken und uns in unserem Denken behindern

Wenn der Frauenanteil in MINT-Berufen 50 Prozent betragen würde_wäre die Verteilung unserer Weltbevölkerung abgebildet und der technologische Fortschritt anders geprägt

Meine bisher größten beruflichen Herausforderungen waren_der Wechsel aus dem gewohnten akademischen Umfeld in die Industrie (dennoch empfehlenswert) und der Aufbau unseres Vereins zur Förderung der Führungskultur in den MINT Bereichen neben meiner Berufstätigkeit

Mein Karrieretipp für junge Frauen ist_Habt Mut! Geht euren eigenen Weg und nehmt die sprichwörtlichen Steine als Herausforderung statt als Hindernis

Zur Person: Dr. Lisa Cichocki ist Mitbegründerin der 2020 ins Leben gerufenen STEM fatale Initiative. Außerdem ist sie für das BioPharma-Unternehmen Bristol Myers Squibb als Co-Lead B-NOW BMS network of women CHAT Chapter tätig.

Von David Bauer