Klischee oder Realität? Teil 3: Oberösterreich

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Linz stinkt nicht (mehr), es leuchtet dafür umso bunter.

Oberösterreicher lieben Most, Linz stinkt und das Bundesland ist ein einziger Industriepark: In dieser Folge nehmen wir die gängigsten Klischees zum „Land ob der Enns“ genauer unter die Lupe.

Klischee #1: Oberösterreicher trinken am liebsten Most

Für viele Österreicher sind die Oberösterreicher Mostschädln, die sich bei jeder Gelegenheit literweise dieses Getränk gönnen. Die Geschichte des Bundeslandes ist eng mit dem Getränk verbunden – Most wurde erstmals Mitte des 15. Jahrhunderts in Freistadt erwähnt. Im 19. Jahrhundert stieg die Beliebtheit des Mosts in Oberösterreich rapide an – Handwerker wurden bevorzugt mit diesem Getränk verköstigt. In den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts kam es dann zu einem regelrechten Most-Boom – wohl vor allem deshalb, weil das Getränk deutlich billiger als Bier oder Wein hergestellt werden konnte.

Heutzutage ist der Most in Oberösterreich zwar immer noch ein beliebtes Getränk, der Konsum ist jedoch niedriger, als man in anderen Teilen Österreichs möglicherweise vermuten würde. Bier hat das einstige Wahl-Getränk der Oberösterreicher längst in der Beliebtheit überholt. 38,5 Prozent der Österreicher gaben 2020 an, zumindest einmal wöchentlich ein Glas Bier zu trinken. Die Zahl der Mosttrinker dürfte deutlich niedriger sein, auch wenn es dazu keine aktuellen Studienergebnisse gibt. Das Image des Mosts als günstiges Getränk als Ersatz für Wein und Bier hat sich allerdings mittlerweile gewandelt: Der frühere Durstlöscher für Bauern und Handwerker wird mittlerweile als Speisebegleiter geschätzt und hat Einzug in die Spitzengastronomie gehalten.

Klischee #2: Linz stinkt

„In Linz, da stinkt‘s“ – wer dieses Zitat kennt, weiß, wie viele Österreicher immer noch über die Stahlstadt denken. Tatsächlich hatte die Stadt im 20. Jahrhundert mit einer hohen Feinstaubbelastung und geruchlicher Belästigung durch die Industrie zu kämpfen – diese Zeiten sind allerdings vorbei. Die Voestalpine war zwar 2019 für etwa zehn Prozent aller österreichischen CO2-Emissionen verantwortlich, hat aber längst die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit und einer Umweltstrategie erkannt.

Abseits von Industrie hat sich in der oberösterreichischen Landeshauptstadt längst eine lebendige und innovative Kulturszene entwickelt – einen starken Aufschwung gab es seit 2009, als Linz als europäische Kulturhauptstadt auserkoren wurde. 2013 wurde im Zentrum der Stadt eines der modernsten Musiktheater Europas eröffnet. Weltweit bekannt ist die Stadt für das Ars Electronica Center (AEC), das „Museum der Zukunft“. Zahlreiche Kulturschaffende und junge Start-ups sind in der denkmalgeschützten Tabakfabrik beheimatet, die derzeit um- und ausgebaut wird und als Vorbild für andere Innovationsquartiere in Europa dient.

Klischee #3: OÖ ist ein einziger Industriepark

Stichwort Industrie: Um diese rankt sich noch ein weiteres Klischee. Manch einer denkt bei Oberösterreich an einen einzigen, gigantischen Industriepark, an rauchende Schlote, riesige Fabrikshallen und glühende Hochöfen. Dieses Image ist wohl eng mit Klischee 2 und dem alten Ruf der Stadt Linz verbunden. Tatsächlich ist Oberösterreich das Industriebundesland Nummer 1 in Österreich. Die Industrie hat etwa 40 Prozent Anteil an der Wertschöpfung, ist ein bedeutender Arbeitgeber mit insgesamt etwa 115.000 Beschäftigten. Der oberösterreichische Anteil an der Gesamtindustrie Österreichs beträgt etwa 25 Prozent. Dennoch ist das Bundesland selbstverständlich viel mehr als nur ein Industriepark: Oberösterreich ist genauso für seine Seen, Berge und Wälder bekannt, und ist abseits des Ballungszentrums Linz stark ländlich geprägt.

Klischee #4: Die Oberösterreicher wollen Wien übernehmen

Sie bleiben oft unter sich, sind nur teilweise integrationswillig, werden immer mehr und übernehmen einflussreiche Jobs: So manch ein Wiener blickt skeptisch auf die zahlreichen Oberösterreicher in seiner Heimatstadt. Tatsächlich leben etwa 70.000 Oberösterreicher in der Bundeshauptstadt, viele von ihnen haben in Wien erfolgreich Karriere gemacht und sich einflussreiche Positionen gesichert. Der frühere Landeshauptmann Josef Pühringer bezeichnete Wien einst scherzhaft als „zweitgrößte Stadt Oberösterreichs“, beim traditionellen Oberösterreicher-Ball im Rathaus vernetzen sich jährlich zahlreiche erfolgreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Auch wenn es viele Oberösterreicher nach Wien zieht, geht die Meinung zu Wien im Bundesland weit auseinander. Während zahlreichen urban geprägten, jungen Menschen Linz zu klein wird, kommt für andere die Vorstellung, in Wien leben zu müssen, gar nicht in Frage. Eine schleichende, heimliche OÖ-Übernahme der Hauptstadt ist also nicht geplant. Oder doch?

Von Valentin Lischka