5 Dinge, die wir von Forscherin Bernadette Kamleitner lernen können

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Die erfahrene Forscherin erkennt oft auf einen Blick, ob sich ein Fehler in die Datenkodierung geschlichen hat.

Forschung bringt unser Land voran. Sei es ein schnell entwickelter Corona-Impfstoff, neue Lebensmittel oder ein modernes Auto. Wir alle profitieren davon. Dabei dürfen wir nicht die vielen klugen Köpfe hinter all den Innovationen vergessen. Sie leisten tagtäglich einen erheblichen Beitrag, um uns das Leben auch in Zukunft leichter zu machen. Was Forscher immer wieder aufs Neue antreibt, verrät uns Bernadette Kamleitner. Sie ist Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien und leitet das Institut Marketing und Consumer Research.

1. Die Begeisterung für den Weg treibt weiter als die Begeisterung für das Ziel

Nietzsche meinte einmal: Menschen, die sich erst dann für Forschung zu begeistern beginnen, wenn sie selbst Entdeckungen gemacht haben, interessieren sich nicht wirklich für die Forschung. Tatsächlich ist der Job der Forscherin nur dann eine erfüllende Berufung, wenn in einem für die Art der Tätigkeit das beständige – auch sich selbst – Infragestellen und Tieferschürfen brennt. Wenn die Tätigkeit selbst Spaß macht, sind die vielen Rückschläge deutlich besser auszuhalten. Sie werden dann zu Kurven eines interessanten Weges, anstatt zu Barrikaden vor dem Ziel. Im übertragenen Sinn gilt das, denke ich, für die meisten Berufe. Ziele sind wichtig. Doch wenn nur das Ergebnis zählt, sind die Momente, in denen einem der Job Freude macht, bedenklich dünn gesät.

2. Feedback und Rückschläge sind Wissensgewinn

In manchen Disziplinen passiert es offen während Tagungen, in anderen in anonymen Begutachtungen: das Austeilen von oft harscher Kritik und Feedback. Feedback ist eine Reflektion von außen und damit ebenso wie die Reflektion von innen eine Chance, das eigene Verständnis zu vertiefen. Selbst auf den ersten Blick unqualifiziert erscheinendes Feedback ist erhellend. Es legt Missverständnisse offen und zeigt, was einer anderen Person wichtig ist. Im Idealfall bringt es zudem wirkliche Schwachstellen und Stärken oder relevante Zusatzaspekte auf den Punkt. Deshalb ist sachliches Feedback immer ein Geschenk, auch wenn einen die Verpackung beim Auspacken erst mal schneidet. In der empirischen Forschung sind die Forschungsergebnisse das wesentlichste Feedback, das wir erhalten. Es steht an der Tagesordnung, dass Experimente andere Ergebnisse bringen als jene, die erwartet wurden. Das ist jedes Mal aufs Neue frustrierend. Am Ende des Tages ist der Lernprozess aber größer, wenn die Dinge nicht so funktionieren wie erwartet. Begeisterung für die Aufgabe hilft, aus der Frustration den Lerngewinn zu sieben.

3. Sich von eigenen Glaubenssätzen zu verabschieden ist wie Detoxing

Wir haben stets den Wunsch zu wachsen und etwas zu erforschen, auch wenn festhalten manchmal so verlockend ist. Widersprüchen sind selten angenehm – daher ist es das dominante Muster, auf die eigenen Überzeugungen zu bestehen. Sich hin und wieder bewusst von den eigenen Glaubenssätzen zu verabschieden, ist meiner Erfahrung nach aber befreiend und erfrischend. Ausmisten ist nicht nur bei Dingen, sondern auch bei Glaubenssätzen hilfreich. Seine Überzeugung ändern zu können ist kein Wankelmut, sondern Wachstum und eine großartige Basis für wertschätzende Zusammenarbeit.

4. Klarheit in der Kommunikation ist alles

Ein Großteil aller Missverständnisse bleibt unentdeckt. Oft steht uns die eigene Sichtweise im Weg, die wir als selbstverständlich sehen. Das hat Vorteile für das Miteinander, hindert aber ein tiefes Verstehen und führt leicht zu falschen Schlüssen. In der Forschung ist das potenziell folgenschwer. Wenn etwa die Fragen in einer Umfrage von verschiedenen TeilnehmerInnen unterschiedlich verstanden werden, können Forschungsergebnisse de facto nicht interpretiert werden. Aktiv zuzuhören hilft uns bei Befragungen zu verstehen, worum es den Menschen wirklich geht. Denn selbst der beste Gedanke ist wertlos, wenn ihn andere nicht nachvollziehen können. Im wissenschaftlichen Alltag ist der übliche Preis dafür die Ablehnung der eigenen Werke in einem Begutachtungsprozess. Missverständnisse lassen sich nicht vermeiden. Sich aufzumachen, um diese zu entdecken, ist nicht nur ein garantierter Lerngewinn, sondern letztlich auch immer ein Zeichen des Respekts füreinander.

5. Tiefe Wurzeln spießen sich mit schnellem Wachstum

Expertise zu haben, bedeutet Wissen zu verinnerlichen. Bestes Beispiel dafür: der Meisterbäcker. Er weiß durch seine jahrelange Erfahrung ganz instinktiv, dass er je nach Mehlsorte etwas mehr oder weniger Wasser zum Teig geben muss. Und er weiß auch, dass er diesen Dann etwas kürzer oder länger kneten muss. Wie ist das bei der erfahrenen Forscherin? Die erfahrene Forscherin, die Hunderte von Analysen durchgeführt hat, erkennt oft auf einen Blick, ob sich ein Fehler in die Datenkodierung geschlichen hat. Die erfahrene Managerin weiß intuitiv, wo sich noch Schwachstellen im Business Plan befinden. Es ist möglich, anhand eines zehnminütigen Videos zu verstehen, wie ein Schokokuchen gebacken wird, wie ein statistisches Verfahren funktioniert oder was zu einem Business Plan gehört. Schritt für Schritt lässt sich das alles im besten Fall sogar erfolgreich nachmachen und anschließend um eine entsprechende Zeile im Lebenslauf ergänzen. Daran ist auch nichts auszusetzen. Problematisch ist es nur, wenn man sich automatisch für einen Experten hält. Tiefes Wissen kommt nur durch wiederholte Anwendung. Tag ein, Tag aus – daran führt kein Weg vorbei.

Von David Bauer