Wie forscht man eigentlich?

(c) Klaus Vyhnalek
Edeltraud Hanappi-Egger, Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien

Laborkittel an, Schutzbrille auf und ran die Reagenzgläser – jetzt wird geforscht? Allein 2020 hat Österreich 12,3 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert. Unsere Quote liegt in der EU auf Platz zwei, hinter Schweden. Forschung ist also weitaus vielfältiger, als wir es uns zunächst vorstellen.

Generell geht es darum, Fragestellungen systematisch auf den Grund zu gehen. Darunter fallen deutlich mehr Bereiche als nur ein Chemielabor. Um dieser offensichtlich bedeutsamen Diszplin näher auf den Grund zu gehen, haben wir Edeltraud Hanappi-Egger, die Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien, gefragt: „Wie forscht man eigentlich?“

Wie würden Sie einem Kind erklären, wie man forscht?

Edeltraud Hanappi-Egger_ Eigentlich ist es ganz ähnlich wie wenn du beispielsweise herausfinden möchtest, wie oder warum etwas funktioniert. Dann betrachtest du es näher, untersuchst es genau oder liest in Büchern darüber. Als Forscherin oder Forscher suchst du dir auch ein bestimmtes Thema aus und überlegst dir Fragen dazu, zum Beispiel: „Wozu braucht man eigentlich Geld?“ oder „Wie funktioniert Werbung?“. Danach liest du sehr viel darüber, schaust, was andere dazu schon untersucht oder geschrieben haben oder machst Befragungen oder Versuche, um Antworten auf deine Fragen zu finden.

Wie würden Sie es stattdessen einem fachfremden Erwachsenen erklären?

Edeltraud Hanappi-Egger_ In der Forschung widmet man sich einem bestimmten Thema und versucht, Antworten auf noch offene Fragen zu finden. Es wird jedenfalls immer geschaut, was dazu schon veröffentlicht wurde oder welche Theorien zum eigenen Forschungsthema passen. Je nachdem in welchem Fachbereich geforscht wird, werden Daten erhoben, indem Personen befragt oder Versuche, gemacht werden. Diese Antworten werden dann in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht.

Wie sieht ein typischer Tagesablauf in Ihrem Arbeitsleben aus?

Edeltraud Hanappi-Egger_ Das Schöne an der Arbeit als Forscherin oder Forscher ist, dass es keinen typischen Tagesablauf gibt. Mal widmet man sich dem Lesen zahlreicher Artikel zu einem Thema, mal macht man eigene Untersuchungen, tauscht sich mit Kolleginnen und Kollegen aus, man fährt auf Konferenzen ins Ausland, um die eigenen Ergebnisse anderen vorzustellen und zu diskutieren.

Vor welchen Herausforderungen steht die Forschung in Zukunft?

Edeltraud Hanappi-Egger_Forschung war vermutlich in der Öffentlichkeit noch nie so präsent wie jetzt in der Corona-Pandemie. Diese hat gezeigt, wie wichtig und notwendig das Wissen von Fachleuten ist, auch wenn es darum geht, bedeutende politische Entscheidungen zu treffen. Trotzdem ist die größte Herausforderung sicherlich die Finanzierung. Gute Forschung braucht einfach viel Geld für Forschende, Geräte und Vernetzung.

Zur Person:

Edeltraud Hanappi-Egger promovierte in Informatik an der TU Wien im Jahr 1990. Sie absolvierte Forschungsaufenthalte u.a. in Stockholm, Toronto und Oslo und war von 1993 bis 1996 Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 1996 habilitierte sie sich im Bereich Angewandte Informatik an der TU Wien, wo sie bis 2001 als außerordentliche Professorin tätig war. Seit 2002 ist sie Professorin an der WU für Gender & Diversity in Organizations.

Hanappi-Egger hat mehr als 350 Publikationen zu Gender/Diversität in Organisationen verfasst, war an mehreren internationalen Forschungsinstitutionen (zuletzt an der LSE und McGill University) und hatte einen Jean Monnet Chair der EU inne. Von 2008 bis 2013 war sie Universitätsrätin der TU Graz. Edeltraud Hanappi-Egger war von 2006 bis 2009 Vorsitzende des Senats der WU und von 2012 bis 2014 Vorständin des Departments für Management. Seit 1.10.2015 ist sie Rektorin der WU, als erste Frau in dieser Position. Sie ist Mitglied und Vorsitzende mehrerer Akkreditierungsteams bei AACSB und EFMD, sowie eine Expertin für Hochschulbildung.

Von David Bauer