Innovationsland Österreich: Woran forschen wir gerade?

(c) Susanne Posch
Unter Forschung versteht man die systematische Suche nach neuen Erkenntnissen sowie deren Dokumentation und Veröffentlichung.

Im Forschungs- und Entwicklungsstandort Österreich haben sich im letzten Jahrzehnt die Gesamtausgaben um rund 70 Prozent erhöht. Schon 2017 lagen die Investitionssummen signifikant über dem Durchschnitt in der Europäischen Union. Lediglich Schweden lief Österreich zuletzt den Rang als Europas Spitzenreiter ab.

Die Forschungsquote, die sämtliche Ausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt setzt, wächst Schätzungen zufolge wesentlich schneller, als das BIP selbst. Österreich ist Innovationsland. Wir präsentieren vier heimische Forschungen, die unsere Zukunft schon heute mitgestalten.

PhytonIQ

2017 wurde das Indoor Farming Start-Up PhytonIQ im Südburgenland gegründet. Die Initiatoren Eszter Simon, Architektin und Lebensmitteltechnologin, sowie Bauingenieur und Umweltwissenschaftler Martin Parapatits, befassten sich früh mit den Problemen konventioneller Landwirtschaft und der Frage, wie unsere Ernährung in Zukunft aussehen wird.

Klimaveränderungen, steigende CO2-lastige Importe und die Verwendungen chemischer Pestizide sind allesamt Faktoren, die der Effizienz, Gesundheit und Regionalität traditioneller Landwirtschaft zur Last fallen. Indoor Farming stellt eine realisierbare Alternativlösung dar, um zukünftig Lebensmittel ökologischer und nutzbringender anzubauen. „Ressourcen (Wasser, Anbauflächen et cetera) und Transportwege können massiv eingespart – so auch vor allem CO2, Erntemengen vervielfacht und Pestizide komplett vermieden werden“, beteuern die Pioniere ihres Gebiets.

Außerhalb Europas ist diese Form des Anbaus längst als verlässliche Alternative etabliert, doch PhytonIQ bringt dieses System nicht nur nach Österreich und damit auf den europäischen Kontinent. Nein, sie optimieren Indoor Farming obendrein nachhaltig durch ihre patentierten Ideen, beispielweise die Wasser- und Nährstoffversorgung mithilfe einer automatischen Aeroponik Bewässerung.

Im Gründungsort Oberwart steht eine 1.000 Quadratmeter große Indoor Farm, auf der Wasabi, Safran und Microgreens angebaut werden. Deutlich kleinere, nämlich nur 30 Quadratmeter große, Container-Lösungen kommen im Sommer 2021 und leisten einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit, unabhängig von der Region. Das gesamte Jahr über gedeihen so frische Kräuter, Erdbeeren, Salate, Microgreens sowie ausgewählte Obst- und Gemüsesorten. Über die klimafreundlichen und zukunftsorientierten Komponenten hinaus, erzeugen die optimierten Anbaubedingungen hoch-aromatische Geschmäcker bei bester Qualität. In Summe sehen die Gründer im automatisierten Indoor Farming eine langfristige Alternative: „Der Vorteil ist dabei, dass man wenig Wasser braucht, Strom aus erneuerbaren Energien nutzt, wenig Fläche an sich benötigt, auf den Einsatz von Pestiziden verzichten kann und einen größeren Output über das Jahr verteilt hat, also mehrmals ernten kann“.

DigiTrans

Mit seiner Testregion Digitrans schafft das gleichnamige Unternehmen ein Reallabor für autonomes Fahren in Oberösterreich. Neben klimafreundlichen Treibstoff-Alternativen, sind der automatisierte Güterverkehr sowie der Einsatz von automatisiert fahrenden Nutz- und Sonderfahrzeugen ein zentrales Thema der Automobilindustrie.

Die bis dato für Komplikationen sorgende Gesetzgebung wurde insoweit angepasst, dass innerhalb der Testregion autonomes Fahren ohne Fahrer an Bord genehmigt ist. Wirtschafts- und Forschungslandesrat Markus Achleitner zeigt sich über ein solches Alleinstellungsmerkmal in Europa erfreut: „Damit werden Entwicklung und Anwendung automatisierter Nutzfahrzeuge ermöglicht und Oberösterreich wird als Testregion noch attraktiver“.

Im Kraftfahrgesetz wurde eine Ergänzung bewirkt, die eine Fernsteuerung für Kraftfahrzeuge mit einer Bauartgeschwindigkeit von unter 10 Kilometer pro Stunde gestattet. Verfügt die lenkende Person über einen Notschalter und befindet sie sich in der Nähe des Fahrzeugs, bedarf es keines Fahrers direkt am Steuer. Besonders Kommunaldienste und die Weiterentwicklung des Last-Mile-Delivery-Bereich profitieren von diesen Anpassungen: „So können etwa automatisierte Arbeitsmaschinen oder Geräteträger, zum Beispiel automatisierte Rasenmäher-Fahrzeuge oder automatisierte Kehrmaschinen, dabei unterstützen, Österreichs Straßen einfacher und sicherer zu pflegen“, unterstreicht Landesrat Achleitner die Vorteile.

EnableMe 50+

Die entscheidenden Aufgaben in der Arbeitswelt werden es zukünftig sein, zum einen den Fachkräftemangel zu decken. Zum anderen Beschäftigungsverhältnisse im fortgeschrittenen Alter aufrecht zu erhalten, um die Expertise älterer Mitarbeiter im Unternehmen zu nutzen. Entsprechende Assistenzsysteme bergen als geeignete Hilfsmittel das Potenzial, die Arbeitsfähigkeit zu erhöhen beziehungsweise zu verlängern.

Landesrat Markus Achleitner stimmt das Forschungsprojekt EnableMe 50+ dahingehend positiv: „Eine zukunftsweisende Möglichkeit dazu ist der Einsatz von hochtechnisierten Hilfsmitteln wie Exoskelette. Daher haben das Institut für Arbeitspolitik & Arbeitsforschung an der Johannes Kepler Universität Linz und das Institut für Innovation & Industrie Management an der TU Graz in einem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderten Projekt EnableMe 50+ den Einsatz derartiger Assistenzsysteme erforscht. Praxistests bei der REWE Group Österreich und der Rosenbauer International AG haben wertvolle Inputs geliefert“.

Ursprünglich fand die Technologie der Exoskelette überwiegend in der Raumfahrt Anwendung. Des weiteren erleichtern die hochtechnisierten Hilfsmittel im Alltag bereits Querschnittsgelähmten das Leben oder dienen als Unterstützung beim Behindertensport.

Cool*Buildings

Kühlstrategien in Wohngebäuden bieten einen nachhaltigen Zukunftsmarkt, der aber auch nach zeitgemäßen Lösungen lechzt. Der stetig steigende Energiebedarf für Klimaanlagen und der generell wachsende Kühlbedarf stellen Experten vor eine Herausforderung. Gebäudekühlung muss zukünftig energieeffizient, passiv und technisch robust realisiert werden.

Cool*Buildings ist eine vom Kompetenzzentrum Bauforschung ins Leben gerufene Forschungsinitiative, mit dem Ziel, Maßnahmen zur Reduzierung des Kühlbedarfs zu entwickeln. Einerseits bedarf es zukunftsfähigen sowie klimagerechten Bauens und Sanierungen. Andererseits verbleibt nach wie vor eine Kühllast, die in jedem Fall zu bewältigen ist. Eine Kooperation mit wissenschaftlichen Partnern des Departments für Bauen und Umwelt der Donau-Universität Krems, Smart Building der FH Salzburg sowie dem Bau.Energie.Umwelt Cluster Niederösterreich soll dieser Hürde auf den Grund gehen. Fraglich ist, ob eine Bewerkstelligung allein durch passive Kühlung, also erneuerbare Energien oder durch aktive Kühlung, also gängige und energieeffiziente Technologien zu decken ist.

Erst mit diesem Jahr startete das 375.000 Euro schwere Projekt, gefördert vom niederösterreichischen Wirtschafts- und Tourismusfonds und der Salzburger WISS2025. Die Fertigstellung ist innerhalb von 24 Monaten vorgesehen. Im Ergebnis ist eine Entscheidungsmatrix geplant, die die Sinnhaftigkeit oder Kontraproduktivität von Kühlmaßnahmen in bestimmten Rahmenbedingungen analysiert. Vertretern der Bauwirtschaft und öffentliche Stellen werden auf diesem Weg ihre Entscheidungen erleichtert.

Von David Bauer