Belegpflicht: „Digital lösen, statt abschaffen“

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Die Belegpflicht frisst jedes Jahr unglaublich viele Ressourcen. Welche Alternativen gibt es?

25 Milliarden Liter Wasser, 25 Millionen Bäume und 25 Millionen Liter Öl werden jährlich zu Kassenbelegen verarbeitet. Im ersten Teil unseres Beitrags haben wir uns bereits ausführlich mit der österreichischen Belegerteilungspflicht und ihren Folgen auseinandergesetzt. Doch sie ist gekommen, um zu bleiben. Entscheidend ist daher: Wie schaffen wir es, Steuerehrlichkeit zu fördern, ohne dabei unsere Umwelt und österreichische Unternehmen zu belasten? Ist der digitale Beleg von warrify die Antwort auf eine Frage, die am besten durch Digitalisierung beantwortet werden kann? Wir haben bei Simon Hasenauer nachgefragt.

„Der Beleg in einer digitalen Welt“, ist auf der warrify-Homepage als erstes zu lesen. Was genau heißt das? Mitgründer und Geschäftsführer Simon Hasenauer erzählt uns im Interview, wie aus einer Idee an der Universität die Revolution des Kassenzettels entstand. Das Prinzip zukünftig: Zahlen, scannen, interagieren.

Mission Mehrwert

Um den Kassenbeleg zu erhalten, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einfach einen QR-Code scannen oder, ähnlich wie bei einer Kundenkarte, dem Kassierer einen Code zum scannen zeigen.

Der Kunde muss nach seinem Einkauf lediglich den QR-Code des Händlers scannen – im Browser erhält er automatisch den Kassenbeleg. Bei Bedarf hilft ein eigenes warrify-Profil dabei, alle Belege am selben Ort zu speichern. Trotzdem dürfen Skeptiker laut Hasenauer gerne anonym bleiben, indem sie ihren Beleg, ohne Registrierung oder eine App zu benötigen, als PDF-Datei auf ihrem Smartphone abspeichern. Die Entscheidung sei jedem Nutzer selbst überlassen. Handy, Laptop, Tablet – der Zugriff funktioniert über jedes digitale Gerät, da das Profil im Browser zugänglich ist. 

Aus Sicht der Händler bietet warrify eine flexible Schnittstelle. Sie wird im bestehenden Kassensystem integriert, egal wie dieses individuell funktioniert. Extra eine neue, teure Kasse kaufen? Fehlanzeige! Es ist weder eine neue Kassensoftware noch ein eigenes Kundendisplay, das QR-Codes anzeigen kann, notwendig. 

Wann kam Ihnen zum ersten Mal die Idee, einen digitalen Beleg zu erfinden?

Hasenauer_Der erste Gedanke kam mir gemeinsam mit einem Studienkollegen an der IMC in Krems. Im Rahmen eines Programms namens „Ideation Playground“ wurde viel mit Ideen herumgespielt. Wir sollten uns letztendlich für einen von uns selbst generierten Ansatz entscheiden. Danach ziehst du das Ganze an zwei Wochenenden hoch. Wir wollten eine Plattform schaffen, bei der du alle Rechnungen und Garantien an einem Ort hast. Zum Beispiel kaufst du ein iPhone und hast deinen Beleg plus Garantie automatisch digital. Wenn etwas kaputt geht, wird dir gleich angezeigt, wo du es reparieren lassen kannst. Das war der ursprüngliche Kreislaufgedanke.

Von der Idee zur Umsetzung: Wie genau ist warrify entstanden?

Hasenauer_Wir haben eine kleine „Learning-Weltreise“ in den Silicon Valley und an die European Innovation Academy gemacht. Ende 2019, kurz bevor auch in Deutschland die Belegpflicht eingeführt wurde, haben wir uns die Frage nach der Sinnhaftigkeit gestellt. Daten, die strukturiert in Kassensystemen vorhanden sind, werden Ressourcen verschwendend ausgedruckt. Unsere damalige Lösung hat erst im Nachhinein angesetzt. Die Überlegung war daher, dass das auch von Anfang an möglich sein muss – du gehst einkaufen und bekommst den Beleg direkt digital auf dein Smartphone. Wir sind von der App-Idee weggegangen und heute „enablen“ wir Handelsunternehmen zur Digitalisierung.

Welchen Mehrwert bietet warrify gegenüber traditionellen Händlerbelegen oder elektronischen Rechnungen?

Hasenauer_Wir haben die Möglichkeit, die digitalen Belege anzureichern. Durch interaktive Gestaltung oder, indem wir zusätzliche Informationen zum Einkauf zur Verfügung stellen. So kann der Händler nicht nur seinen Kassenzettel digitalisieren – er kann Einkaufserlebnisse personalisieren. Er gewinnt nämlich eine neuen Kontaktkanal direkt auf das Smartphone seiner Kunden. Der Beleg bekommt in seiner Funktion demnach eine ganz neue Rolle. Aus einem simplen Kaufnachweis wird plötzlich ein neues Medium, über das mit dem Kunden interagiert werden kann. Dieser profitiert von relevanten Angeboten, Rabatten und passendem Zubehör. Das beste Beispiel ist: wenn ich als Veganer einkaufen gehe und bisher nur Coupons für Fleischprodukte bekomme, bringt mir das nichts. Davon profitiert weder der Kunde noch der Händler.

Wo sehen Sie warrify in zehn Jahren?

Hasenauer_Wir stellen uns immer die Frage: Wo sehen wir den Markt in zehn Jahren? Für uns zeichnet sich ein klares Bild ab. Bei sämtlichen Transaktionen, sei es in Zahlungsanbieter- und Banking Apps, werden zukünftig deutlich mehr Informationen enthalten sein. Nicht nur eine Transaktionsnummer, das Datum, der Händlername oder mein Kaufpreis. Sondern alle einkaufsrelevanten Daten werden in Zukunft ein Teil davon sein. Belege landen automatisch dort, wo sie hingehören – zur Transaktion gespeichert. In diesem Markt sehen wir warrify ganz klar als führenden Anbieter. Wir fokussieren uns zurzeit auf die Verknüpfung mit Zahlungsanbieter- und Banking Apps, die ohnehin massiv daran arbeiten, Mehrwerte stiften zu können. Eins haben die Belege und Apps nämlich bisher gemeinsam: Sie sagen wenig aus. Für dieses Matching sehen wir uns als Verknüpfung, um die breite Masse an Smartphone- und Kartenzahlungen zu erreichen.

Wie gehen wir in Zukunft mit der Belegpflicht um?

Hasenauer_Ich muss ehrlich sagen, dass ich es vermessen fände, die Belegerteilungspflicht auf finanzrechtlicher Seite zu beurteilen. Ganz egal, ob gut oder schlecht.. Wir konzentrieren uns vielmehr auf die geschaffenen Rahmenbedingungen für digitale Lösungsansätze. Hier muss fairerweise gesagt werden, dass die Voraussetzungen für eine digitale Alternative von Beginn an immer gegeben waren.  Interessant dabei ist jedoch, dass die vorhandene Regulatorik den wenigsten Unternehmen bekannt ist. Dementsprechend ist die Kommunikation rund um die Lösungsansätze und “wie” diese umgesetzt werden können definitiv noch ausbaufähig. Hier stehen wir mit unseren umfangreichen Erfahrungswerten gerne als Ansprechpartner zur Verfügung. 

# Wortgewand(t) mit Simon Hasenauer

Den Beleg bei meinem letzten Einkauf_habe ich nicht gebraucht. Ausgedruckt und gleich weggeschmissen wurde er trotzdem.

Die erste Idee für warrify_haben wir nach geraumer Zeit neu überdacht. Was erst nur ein Gedanke an der Uni war, ist rund drei Jahre später auf dem besten Weg, in Zukunft Marktführer zu werden.

Ausgedruckte Belege_werden digital zum Leben erweckt und schaffen dadurch einen direkten Kontaktkanal auf dem Smartphone der Kunden. 

Kunden profitieren von warrify_durch den personalisierten Service rund um ein Produkt.

In zehn Jahren_sehen wir jetzt schon einen völlig neu kommenden Markt, den wir als „Man in the Middle“ anführen wollen. Denn wir vergrößern nicht nur unsere eigene Plattform, sondern nutzen und verbessern bestehende Systeme und Strukturen.

Die Belegpflicht abschaffen_wird nicht nötig sein. Wir müssen nur rechtlich zugelassene digitale Lösungen nutzen. Wenn der Kunde dennoch einen ausgedruckten Beleg wünscht, bekommt er ihn natürlich auch.

Von David Bauer