Was bedeutet der Green Deal für Industrieunternehmen?

(c) Gettyimages
Welche Rahmenbedingungen werden für den Green Deal benötigt?

Die Europäische Kommission möchte mit dem europäischen Green Deal (EGD) die EU-weite Treibhausgas-Neutralität bis zum Jahr 2050 erreichen. Europa wäre somit die erste klimaneutrale Industrieregion der Welt. Doch welche Auswirkungen hat der Green Deal auf Unternehmen?

Europa als globaler Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel? Klingt toll. Ist mit dem Green Deal, dem Konzept, das 2019 von der Präsidentin der EU-Kommission Ursula van der Leyen vorgestellt wurde, auch so geplant. Der Wille ist jedenfalls da. Von der Gesellschaft, der Wirtschaft, den einzelnen Unternehmen. Und der Weg dorthin? Lässt noch einige Fragen offen. Vor allem für die Industrie, die sich innerhalb kürzester Zeit nachhaltig verändern muss. Doch welchen Herausforderungen müssen sich Unternehmen stellen, welche Rahmenbedingungen werden benötigt? Axel Kühner, CEO der Greiner Gruppe, Karl-Ulrich Köhler, CEO von Saarstahl und Janice Goodenough, CEO von Hydrogrid haben in einem Livestream der deutschen Handelskammer in Österreich und Fraunhofer Austria Research miteinander diskutiert.

Produktorientierte Nachhaltigkeit und zirkuläres System bei Greiner

„Für ein österreichisches Unternehmen wie Greiner, das einen globalen Footprint hat, indem es etwa 11.000 Menschen weltweit beschäftigt, hat der Green Deal große Auswirkungen“, sagt Axel Kühner. Als großer Kunststoffproduzent möchte sich Greiner auf das Produkt und ein zirkuläres Geschäftsmodell konzentrieren. Zirkulär also? „Wir setzen auf eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Ein klassisches lineares Geschäftsmodell wird in Zukunft nicht mehr funkionieren“, so Kühner. In einem zirkulären System werden Materialien und Produkte so lange wie möglich wiederverwendet, aufgearbeitet, repariert und recycelt. Dadurch ist es möglich, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und Abfälle auf ein Minimum zu reduzieren.

Am Beispiel einer Schaumstoffmatratze zeigt der CEO von Greiner, wie aktuell die Entsorgung aussieht: „Von zehn werden vier verbrannt, sechs werden deponiert und keine einzige wird recycelt.“ Zu häufig werden Kunststoffverpackungen und Schaumstoffe in Europa noch thermisch verwertet oder in Teilen gar deponiert. „Wir haben bei Greiner eine Nachhaltigkeitsstrategie, den ‚Blue Plan‘ erstellt. Dieser umfasst alle Unternehmensbereiche weltweit und setzt drei Handlungsfelder in den Mittelpunkt: den Klimawandel, die Kreislaufwirtschaft und die Menschen selbst. Diese drei Bereiche sind miteinander verwoben und bedingen einander. Ohne Kreislaufwirtschaft gibt es keine Klimaneutralität und ohne motivierte und ausreichend geschulte MitarbeiterInnen wird kein Unternehmen die notwendige Transformation schaffen“, so Kühner.

Veränderungen auf der Produktionsebene in der Stahlbranche

Ein paar Zahlen vorweg: Stahlerzeugung ist prozessbedingt mit einem sehr hohen Energieaufwand und hoher Klimabelastung verbunden. Circa zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen sind auf die Stahlerzeugung zurückzuführen. In Österreich ist die Stahlindustrie sogar für etwa 15 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. „Der Green Deal bedeutet einen gewaltigen Umbruch in der Stahlindustrie“, sagt Karl-Ulrich Köhler. Wie aber kommt man zum großen Ziel, dem „grünen Stahl“? „Was dabei oft vergessen wird, ist, dass wir eine leistungsfähige Infrastruktur und die Ressourcenverfügbarkeit brauchen. Und dafür müssen Prozesse wirtschaftlich gestaltet werden. Die technologische Umsetzung einer CO2-neutralen Stahlproduktion ist gegeben und entwickelt“, versichert Köhler, „wir müssen sie nur noch hochskalieren.“

Und das ist teuer. Denn hin zum grünen Stahl möchte man durch den massiven Einsatz von Wasserstoff kommen, welcher durch regerenative Energien erzeugt werden muss. „Das erfordert Milliardeninvestitionen in neue Anlagen und auch die Kosten für den laufenden Betrieb werden steigen“, so Köhler. Und das sei in einem Markt, der unter Überkapazitäten und Billigimporten leide nicht verantwortbar und durchsetzbar. Was Köhler daher fordert? Staatliche Unterstützung durch etwa Förderprogramme, Chancengleichheit auf dem globalen Stahlmarkt und den Ausbau regenerativer Energien und der notwendigen Infrastruktur.

Green Deal und Green Company

Was aber bedeutet der Green Deal für Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen? Einen Boost, um es auf den Punkt zu bringen. „Das Unternehmen Hydrogrid gibt es schon länger als den Green Deal, es war schon immer auf Nachhaltigkeit ausgerichtet“, berichtet Janice Goodenough. Hydrogrid leiste als Software-Hersteller für Wasserkraftwerke einen wichtigen Beitrag zur Energiewende, da durch Vernetzung und optimierte Steuerung von erneuerbarer Anlagen, eine nahezu CO2-freie, sichere Energieversorgung in Europa möglich wird. „Auf der Finanzierungsseite merken wir, dass es zunehmend Kapitalgeber und Investoren gibt, die einen ‚Climate Impact‘ haben. Unser Markt wächst, weil wir uns leichter finanzieren können“, sagt Goodenough.

Umdenken, Commitment und gemeinsames Vorgehen

Dass Europa alleine mit dem Green Deal den Planeten nicht retten könne, sind sich die UnternehmerInnen einig. Auch darüber, dass man Europas Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Billigimporten unter dem massiven Druck der dynamischen Klimaziele erhalten muss. „Ich bin stark dafür, dass die Politik finanziell mit steuerlichen Rahmenbedingungen in Form von einer CO2-Steuer einen Ausgleich schafft, damit wir nicht das Thema von Carbon Leackage (Anm.: wenn in einem Land die Treibhausgasemissionen wegen einer Emissionsreduzierung durch ein zweites Land mit strengerer Klimapolitik zunehmen) haben und dann der Stahl in China oder sonst wo noch dreckiger produziert wird als hier,“ fordert Goodenough. „Wir müssen innerhalb Europas zusammenarbeiten und dürfen nie vergessen, dass der Klimaschutz unser aller Thema ist“, so Kühner. Es gehe nicht darum, die Schuldigen zu suchen, sondern gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. „Denn schließlich sind wir alle Konsumenten und die Industrie ist mit Sicherheit Teil des Problems, aber wir sind auch Teil der Lösung.“

„Die Industrie ist Teil des Problems. Sie ist aber auch Teil der Lösung zur Erreichung der Klimaziele“

Axel Kühner, CEO von Greiner.

„Die technologische Umsetzung einer CO2-neutralen Stahlproduktion ist gegeben und entwickelt.“

Karl-Ulrich Köhler, CEO von Saarstahl.

„Wir merken, dass es zunehmend Kapitalgeber und Investoren gibt, die einen ‚Climate Impact‘ haben.“

Janice Goodenough, CEO Hydrogrid.

Von Katharina Anna Ecker