Kinder gegen das Coronavirus impfen – Ja oder Nein?

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Wie kommt der Stich bei Kindern an?

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat den ersten Impfstoff gegen das Coronavirus von Biontech/Pfizer für Kinder ab 12 Jahren zugelassen. Das US-Unternehmen Moderna hat die Zulassung des Impfstoffes für Jugendliche in der EU beantragt . Aber wie sinnvoll ist eine Impfung für Kinder überhaupt? SPÖ-Bundesparteivorsitzende und Ärztin Pamela Rendi-Wagner sowie Mikrobiologe und Infektiologe Rainer Gattringer über Nutzen und Risiken der Impfung.

Eigentlich ist es nur ein kleiner Pikser. Doch tatsächlich ist Impfen ein sehr emotionales Thema. Spätestens wenige Wochen nach der Geburt eines Kindes müssen sich frischgebackene Eltern der wichtigen Frage stellen: Lasse ich mein Kind impfen, oder nicht? Wogegen? Wogegen besser nicht? Die Entscheidung fällt nicht leicht. Denn nichts auf der Welt möchte man mehr schützen als das Wertvollste, das Zerbrechlichste, für das man nun verantwortlich ist. Ein Leben lang.

Wir leben in einer Pandemie

Über das Impfen wird viel geschrieben. Gelesen. Diskutiert. Informiert. Ja, und verunsichert. Auch bei der Corona-Impfung ist das nicht anders. Doch der Vergleich mit bisherigen Impfungen gegen Krankheiten wie Polio, Keuchhusten oder Masern und der Impfung gegen das Coronavirus, hinkt. Denn anders als beim Coronavirus hat man diese oft lebensbedrohlichen Krankheiten durch eine hohe Durchimpfungsrate gut in den Griff bekommen. Und hat heute das Privileg, sich für oder gegen eine Schutzimpfung entscheiden zu können. Jetzt ist das anders. Wir leben aktuell in einer Pandemie. Was bedeutet, dass die gesamte Welt von der Krankheit betroffen ist. Der alte Nachbar von nebenan. Die krebskranke Freundin, die nicht geimpft werden darf. Und ja, der Mitschüler, der aufgrund einer Vorerkrankung schon monatelang die Schule nicht mehr besuchen darf.

Das Coronavirus kann für jene zur tödlichen Bedrohung werden, die durch Vorerkrankungen oder aufgrund ihres Alters schon geschwächt sind. Eine Pandemie fordert. Sie zeigt Stärken, Schwächen, sie zeigt Solidarität, Zusammenhalt und Gemeinschaft. Und genau hier beginnt für viele Eltern das Dilemma. Wie schütze ich mein Kind am besten, wie schütze ich das Umfeld? Welches Risiko hat es, schwer an Corona zu erkranken? Welche Nebenwirkungen durch die Impfung sind möglich? Und die Frage on-top: Wie treffe ich die richtige Entscheidung in einer Pandemie für mein Kind?

Impfstart in Österreich

In den USA und in Kanada werden Jugendliche bereits seit etwa einem Monat geimpft, in Israel, Deutschland und Österreich wird mit den ersten Impfungen gegen das Coronavirus von 12- bis 18-Jährigen gerade begonnen. Die vorgelegten Daten der EMA zum ersten zugelassenen Impfstoff gegen das Coronavirus von Biontech/Pfizer beruhigen: Der Impfstoff werde laut einer Studie mit 2.200 Probanden gut vertragen, die Nebenwirkungen sind mit jenen in der Altersgruppe der 20- bis 25-Jährigen vergleichbar. „Es ist gut, dass es jetzt auch einen sicheren Covid-Impfstoff für Jugendliche gibt“, sagt Pamela Rendi-Wagner zur Zulassung der EMA und ergänzt: „Die Pandemie ist noch nicht vorbei und auch die Arbeit ist noch nicht getan. Je mehr Menschen – auch Jugendliche – rascher geimpft werden, desto größer ist unsere Chance, dass wir sicher und ohne neuer Viruswelle durch den Herbst kommen.“

Risiko und/oder Nutzen?

Während sich in Österreich das nationale Impfgremium noch am selben Tag der EMA-Entscheidung der Zulassungsbehörde angeschlossen hat, empfiehlt in Deutschland die Ständige Impfkommission (Stiko) die Corona-Impfung nur für Kinder und Jugendliche mit Vorerkrankungen. Gemischte Gefühle nach der Zulassung machten sich auch beim Welser Infektiologen Gattringer breit: „Es ist gut, dass man Kindern, die aufgrund ihrer Grunderkrankungen sehr vulnerabel sind, einen Impfschutz anbieten kann, andererseits sind für mich die Daten über die Sicherheit noch nicht ausreichend“, so Gattringer. Die Risiko/Nutzen-Abwägung sollte laut dem Infektiologen von allen Seiten betrachtet und ständig diskutiert werden, da sich diese in kurzer Zeit immer wieder ändern wird.

Schutz gegen Virusverbreitung und Mutationen

Kinder erkranken in der Regel nicht schwer am Virus. Aber: „Es gibt auch unter Kindern schwere Verläufe und Langzeitfolgen einer Coronaerkrankung, wenn auch nicht sehr häufig“, sagt Gattringer. Etwa 500 PatientInnen von 0 bis 19 Jahren mussten in Österreich mit einer Corona-Erkrankung stationär behandelt werden, bisher wurden österreichweit drei Todesfälle in dieser Altersgruppe registriert. Bei etwa einer von 1.000 Corona-Infektionen tritt bei minderjährigen PatientInnen das Hyperinflammationssyndrom auf, eine Entzündungsreaktion im Körper, die einer schweren Gefäßentzündung ähnelt. Rendi-Wagner spricht sich aber nicht nur wegen dem individuellen Schutz für eine Impfung von Jugendlichen aus: „Jede weitere Impfung reduziert auch das Risiko der Virusverbreitung und gefürchteten Mutationsentwicklung. Geimpfte Jugendliche und LehrerInnen machen Schulen sicherer, sie verhindern Clusterbildungen und Schulschließungen und sie reduzieren das Risiko, das Virus möglicherweise mit nach Hause in die Familie und zu den Großeltern zu tragen.“

Die Impfung als Schutzschirm?

Die Entscheidung, sich impfen zu lassen, dürfen Jugendliche ab 14 Jahren selbst treffen, wie das nationale Impfgremium bekanntgab. Während Gattringer für eine individuelle Risiko/Nutzen-Abwägung plädiert, hofft Rendi-Wagner auf eine rasche Abwicklung und hohe Impfbereitschaft: „Wichtig ist jetzt, den 12- bis 15-Jährigen bereits bis spätestens Anfang August die Chance auf eine Erstimpfung zu geben, damit sie zu Schulbeginn im September einen guten Impfschutz haben. Eine hohe Durchimpfung bei Erwachsenen und Jugendlichen ist der Schutzschirm, den wir gemeinsam aufspannen.“

Ob der Schutzschirm nur für Einzelne aufgespannt werden kann, oder viele darunter stehen dürfen, wird sich zeigen.

„Jede weitere Impfung reduziert auch das Risiko der Virusverbreitung und gefürchteten Mutationsentwicklung.“

Pamela Rendi-Wanger, Ärztin und Bundesparteivorsitzende SPÖ

„Schwere Verläufe und Langzeitfolgen unter Kindern sind nicht sehr häufig.“

Rainer Gattringer, Leiter Institut für Hygiene und Mikrobiologie , Klinikum Wels-Grieskirchen.

Von Katharina Anna Ecker