Möchtest du Kurz BundeskanzlerIn sein?

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Arbeitsplatz Bundeskanzleramt.

Es ist ein bisschen wie bei einem Fußballspiel. Etwa 8 Millionen Menschen sind der Meinung, sie wüssten‘s besser als der Teamchef. Beim Bundeskanzler ist das ähnlich. Nur, dass wohl nicht alle 8 Millionen Menschen echt Lust darauf hätten, seinen Job zu machen. Oder doch? Wie wäre es wohl, mal kurz BundeskanzlerIn zu sein? Schauen wir uns das aktuelle Anforderungsprofil an.

Vorweg ein kleines Gedankenspiel: Stell dir vor, du stehst vor einer Schulklasse. Und möchtest etwas sagen. Du sollst eine Präsentation machen, über ein Thema, das dir wichtig ist, über Ideen, die du dazu hast. Das hört allerdings keiner, denn sobald du deinen Mund aufmachst, schreit dich fast die Hälfte deiner Mitschüler mit Wörtern an, von denen dir deine Eltern irgendwann mal erzählt haben, die dürftest du unter keinen Umständen zu anderen Menschen sagen.

Mobbing-Erfahrung

So ähnlich könnte es ablaufen, wenn du dann im Nationalrat stehst und eine Rede hältst. Also fühl dich lieber schon mal gut rein und überleg dir: Will ich mir das antun? Alles gut, das hältst du aus? Mobbing ist kein Problem für dich? Super. Dann kommen wir zum nächsten Punkt des Anforderungsprofils für den Job des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin.

Entscheidungssicher

Entscheidungen. Verabschiede dich mal von der Vorstellung, dass unter all den Entscheidungen, die du tagtäglich zu treffen hast, welche aus der Kategorie „Balsamico- oder Frenchdressing?“ dabei sind. Für solche wirst du nämlich keine Zeit haben. Deine Entscheidungen werden tragend sein. Wenn sie richtig gut sind, werden noch die Urururenkel deiner Kinder darüber in der Schule lernen, wenn sie richtig schlecht sind, dann auch. Und das mit dem Erkennen, ob die Entscheidungen nun gut oder schlecht sind, ist so eine Sache. Für einen gewissen Teil der Bevölkerung (und in den meisten Fällen für den gesamten Teil der Opposition) sind deine Entscheidungen nämlich ganz generell schlecht.

Bereitschaft zum Sündenbock

Okay, Entscheidungen zu treffen, ist also auch deine Stärke. Perfekt. Dann wäre da noch Punkt 3. Wie geht es dir damit, Schuld auf dich zu nehmen? Zum Beispiel im Falle einer auftretenden Pandemie? Denn, das sollte dir gleich vorweg bewusst sein: Für einen nicht unwesentlichen Teil der Bevölkerung wirst du der Erfinder eben dieser Pandemie sein. Und dann ist da noch das Dilemma mit dem Bekämpfen der Pandemie. Was immer du da machen wirst, es wird nicht das Richtige sein. Versuchst du etwa, so viele Staatshilfen wie möglich einzusetzen, wird dir kurz darauf vorgeworfen, überraschenderweise das größte Budgetdefizit aller Zeiten hervorgerufen zu haben. Gibst du hingegen weniger aus … ja, du weißt schon. Auch nicht gut.

Digitalaffin oder so

Das alles hält dich nicht davon ab, mal kurz das Amt zu übernehmen? Cool. Digital affin bist du auch? Also du kannst dich einwandfrei mit Emojis ausdrücken? Dann hier nur ein kleiner Tipp am Rande: Bevor du eine Nachricht abschickst, solltest du stets kurz davor noch mal visualisieren: Wie würde diese auf einem 75-Zoll-Flachbildschirm in der ZIB-2 (mit Armin Wolf als Moderator) so rüberkommen? Im Zweifelsfall (also immer): nicht abschicken. Generell solltest du dich darauf einstellen, dass sämtliche deiner Aussagen prophylaktisch als kriminell eingestuft werden.

Ein letzter, nicht unwesentlicher Punkt: Es wäre sehr von Vorteil, wenn du kein menschliches Wesen bist, sondern eine künstliche Intelligenz. Ein Roboter. Einer, der keine Gefühle hat. Einer, der so programmiert ist, dass er immer das Richtige sagt. Und seinen Weg unbeirrt weiter geht, egal, wie viele ihm gerade im Weg stehen.

Von Susanna Winkelhofer