„Long-Covid“-Ambulanz: das Leben nach der Erkrankung

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Zwischen 10 und 20 Prozent der Covid-Erkrankten leiden auch nach der Genesung unter Symptomen.

So viel ist mittlerweile klar: Das Coronavirus kommt mit einer breiten Palette an Symptomen. Atemwegsbeschwerden, Störung des Geruchs- und Geschmacksinns, Fieber und Müdigkeit sowie viele weitere. Die Betroffenen berichten sowohl von milden als auch schweren Verläufen und die Zahl der weltweiten Todesfälle ist nicht zu verkennen.

Doch was passiert nach der Erkrankung? In den meisten Fällen erfreuen sich die Patienten einer vollständigen Genesung, in einigen jedoch nicht. Zwischen zehn und 20 Prozent der Corona-Infizierten leiden langfristig unter sogenannten „Long-Covid“-Symptomen. Wie erholt man sich davon am besten?

Post-Covid oder Long-Covid?

Zunächst unterscheiden Experten zwischen sogenannten Post-Covid und Long-Covid Symptomen. Ersteres betrifft Schätzungen zufolge dreiviertel der Erkrankten, deren Rehabilitiationsphase nach einer überstandenen Infektion schlichtweg länger dauert. Ihre gesundheitlichen Einschränkungen, wie anhaltendes Husten, Herz-Kreislaufschäden oder gar ein Intubationstrauma, verweilen länger als erwartet.

Von Long-Covid hingegen sprechen Mediziner erst dann, wenn nach erheblicher Zeit noch immer Beschwerden und Einschränkungen vorliegen oder Symptome immer wieder auftauchen. Außerdem sehen sich die Betroffenen eines größeren Spektrums an Symptomen (mehr als 100) ausgesetzt, die insbesondere auch psychischer Natur sein können. Demzufolge sind alle Long-Covid-Patienten automatisch Post-Covid-Patienten, jedoch nicht umgekehrt. Die Abgrenzung resultiert aus dem Umfang und der Hartnäckigkeit dieser Spätfolgen, die mindestens zwölf Wochen nach Beginn der Infektion noch bestehen müssen. Das Ausmaß an Betroffenen wird auf zehn bis 20 Prozent aller Covid-19 Erkrankten geschätzt.

Körperliche und psychische Symptome

Die körperlichen Symptome belaufen sich überwiegend auf fortwährende oder wiederkehrende Probleme der Infektion. Atemwegsbeschwerden sowie die als Fatigue-Syndrom bekannte Dauererschöpfung und Kopfschmerzen sind typisch, aber auch Haarausfall tritt immer wieder auf. Hinzu kommen psychische und psychosoziale Folgen: Angst, Schlafstörungen und Depressionen sowie Probleme in Sozialbeziehungen und Partnerschaften. In manchen Fällen kommt es sogar zu Traumatisierungen oder finanziellen Problemen, sofern mit der Erkrankung ein Arbeitsplatzverlust einherging. Wenn zum Beispiel das Fatigue-Syndrom die Arbeitsleistung mindert, obwohl man in der Theorie als gesund gilt.

Im Allgemeinen kann es jeden treffen, von jung bis alt. Statistiken belegen aber ein erhöhtes Risiko gerade bei älteren Patienten. Bei den Jüngeren haben speziell Frauen unter 50 Jahren ein fünfmal größeres Risiko, Langzeitbeschwerden zu entwickeln. Bei Fällen mit schweren Verläufen steigen die Long-Covid Anteile per se drastisch.

Hilfsangebote

Die Austria Patienteninitiative informiert über potenzielle Therapieansätze, weist aber ausdrücklich darauf hin, dass bisher keine allumfassende Behandlungsmethode entwickelt werden konnte. Lediglich als Empfehlung sprechen sie daher histaminarme Kost sowie eine Unterstützung durch Nahrungsergänzungsmittel (Vitamin C, Magnesium, oder die Aminosäuren L-Lysin und 5HTP) aus.

Bezüglich der psychischen und psychosozialen Symptome steht ein entscheidender Faktor im Fokus: Zeit. Bei der Rehabilitation sollten tägliche Aufgaben dosiert eingeplant werden, um Überforderung weitestgehend zu vermeiden. Professionelle Hilfe bieten Psychologen und Psychotherapeuten an, deren Unterstützung dringend in Anspruch genommen werden sollte.

Florian Schultheiss, PR-Berater der Seite long-covid.at, bemüht sich der Pandemie-Bekämpfung mit all ihren Folgen. Konkret bedeutet dies im Fall Long Covid, Aufklärung, Beratung sowie die Vermittlung an geeignete Psychologen und Psychotherapeuten zu leisten. Über die gängigen Probleme hinaus, mahnt der diplomierte Sozialarbeiter vor fehlender Unterstützung der Krankenkassen, die „noch nicht sensibilisiert beziehungsweise informiert sind und Long-Covid Patienten einfach gesundschreiben“. Die psychische Rehabilitation sei neben der medizinischen Diagnose unabdingbar.

Im Krankenhaus Barmherzige Schwestern steht Betroffenen ein Post-Covid-Programm zur Verfügung, das pro Woche zweimal ambulant stattfindet. Dieses erstreckt sich über eine Dauer von sechs Wochen, in denen die Patienten psychotherapeutische Module, medizinische Visiten, körperliche Betätigung und Entspannung sowie Einzelpsychotherapien wahrnehmen können.

Long-Covid-Ambulanz des AKH Wien

Das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien (AKH) hat eine spezielle Ambulanz für Long-Covid Patienten eingeführt. Ansprechpartnerin ist die Herzspezialistin Mariann Pavone-Gyöngyösi. Die Professorin der Medizinischen Universität Wien äußerte sich kürzlich über die spürbare Nachfrage: „Unser Long-Covid Ambulanzkalender ist bis September voll“. Der erste Schritt sei daher positiv, es müsse aber ein landesweites Netzwerk folgen, um dem Bedarf gerecht zu werden.

Die Ambulanz verfügt über ein klinisches Register, das sämtliche Patienten beinhaltet, die mindestens vier Wochen im Anschluss an die Infektion noch mit symptomatischen Beschwerden konfrontiert sind. Zwar seien monatelange Rehabilitationszeiten nicht unüblich und ein Gros der Symptome reversibel. Nichtsdestotrotz raten Experten zu einer näheren Abklärung, zumal die Ergebnisse bei der Erforschung und somit auch zukünftigen Behandlung von Post- und Long-Covid Krankheiten einen erheblichen Beitrag leisten.

Vor diesem Hintergrund haben die Verantwortlichen eine Sammlung von Blutproben für Forschungszwecke, eine sogenannte Biobank, ins Leben gerufen. Ferner dokumentieren sie klinische Symptomatiken und die Untersuchungsergebnisse (EKG, Blutdruck, Routineblutuntersuchungen und dergleichen). „Wir wissen zu diesem Gebiet noch vergleichsweise wenig. Was wir versuchen ist, die Probleme einzukreisen, indem wir verschiedene Untersuchungen aus dem kardiovaskulären Bereich machen“ beschreibt Christian Hengstenberg, Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin den Status quo. „Wenn dort keine gravierenden Befunde sind, dann kann man letzten Endes auch eine psychologische Unterstützung anbieten“ fasst er das weitere Vorhaben zusammen.

Von David Bauer