MoMOTTO mit Vincent Kriechmayr

(c) ÖSV, Maislinger
Perfekt? „Gibt es nicht“, sagt Doppelweltmeister Vincent Kriechmayr. Wobei … seine Wintersaison war schon ziemlich perfekt.

Was macht man eigentlich als Doppelweltmeister und Weltcupsieger nach seiner erfolgreichsten Saison? Einfach mal zurücklehnen und sich denken: Cool! Oder betrachtet man trotzdem alles auch kritisch? „Auf alle Fälle“, sagt Vincent Kriechmayr, der beste österreichische Skifahrer im vergangenen Winter. „Der kritische Blick gehört dazu und das ist auch das Schöne am Sport: dass man sich immer verbessern kann. Es gibt kein ‚perfekt‘.“

Und dann ist es wieder da. Dieses so sympathische Grinsen mit den zwei Wangengrübchen. Das haben wir diesen Winter oft als Zuschauer gesehen – leider nur im Fernsehen. Denn die Coronazeit hat auch vor dem Spitzensport nicht halt gemacht, aber „grundsätzlich haben wir den Winter gut rübergebracht, wir haben nur ein paar Rennen verloren und hatten das Privileg, unseren Sport ausüben zu dürfen.“ Wie Corona seine Sichtweise verändert hat, was man sich vom Spitzensport zur Motivation abschauen kann, was ihn bewegt und warum der Kopf beim Erfolg die entscheidende Rolle trägt – das alles erzählt er uns im persönlichen Interview. Wir treffen ihn im 18. Stock im Energietower in Linz.

Zwei WM-Goldmedaillen und der Weltcupsieg, du hast eine unglaubliche Saison hinter dir. Aber kaum ist sie vorbei, beginnst du schon wieder mit dem Sommertraining. Hast du bitte einen Motivationstipp für alle (Anwesende nicht ausgeschlossen ;-), die es schon eine Überwindung kostet, hin und wieder eine Runde Laufen zu gehen?

Vincent Kriechmayr_Als Sportler ist der Körper dein größtes Gut. Darauf legt man sehr viel Wert, man trainiert regelmäßig, ernährt sich ausgewogen und achtet darauf, dass es einem gut geht. Ich glaube, dieses Bewusstsein, dass es das Wichtigste ist, auf seinen Körper zu schauen, das braucht es in der ganzen Bevölkerung. Und da spielen der Sport und die tägliche Bewegung natürlich eine große Rolle – wobei mir klar ist, dass es nicht für jeden so leicht möglich ist. Wer Tag und Nacht arbeiten muss, um über die Runden zu kommen, hat kaum Zeit für Sport. Ich weiß, wie privilegiert ich dabei bin, so viel Sport ausüben zu können. Man tut seinem Körper aber auch schon Gutes, wenn man sich ein bisschen gesünder fortbewegt.

Woher kommt deine Lust auf Bewegung?

Vincent Kriechmayr_Von meinen Eltern. Meine Eltern waren Skilehrer und selbst immer sehr sportlich – wenn dir das vorgelebt wird, dann übernimmst du das wahrscheinlich als Kind. Und spätestens wenn du Leistungssport machst, weißt du, dass es dem Körper nur gut geht, wenn er immer wieder in Bewegung ist und er auch herausgefordert wird. Wenn man dann mal drei Tage nichts tut, geht‘s einem schlechter als wenn man drei Tage trainiert.

Niederlagen gehören zum Sport dazu – okay, bei dir sehr selten. Aber hast du einen Tipp, wie man sich aus einem Tief wieder rausholt?

Vincent Kriechmayr_Zum Glück hatte ich noch nie eine schwere Verletzung (er klopft auf den Holzboden) und daher weiß ich gar nicht, was eine richtige Niederlage ist. Weil ich glaube, dass ein schlechtes Resultat oder auch zwei, drei schlechte Resultate hintereinander keine Niederlage sind. Ich bin wie gesagt von Verletzungen verschont geblieben und es ist immer stetig bergauf gegangen, von schlechten Ergebnissen erhole ich mich ganz einfach. Weil ich mir dann zuerst einmal denke: Es gibt Schlimmeres! Ich denke, da bin ich eigentlich ein selbstbewusster Kerl und weiß, dass es am nächsten Tag vielleicht schon wieder ganz anders aussehen kann.

Welche Rolle spielt der Kopf im Sport und im Wettkampf?

Vincent Kriechmayr_Ich glaube, dass nicht nur im Sport, sondern im ganzen Leben der Kopf die entscheidende Rolle trägt. Es ist natürlich wichtig, dass man körperlich gesund und fit ist, genauso fit sollte aber auch der Kopf sein. Ein gesunder Geist ist einfach das Um und Auf. In der Vorbereitung ist es wichtig, dass man den Körper trainiert. Aber beim Rennen ist der Kopf entscheidend.

Was geht dir kurz vor einem Rennen durch den Kopf?

Vincent Kriechmayr_Ich versuche, den Lauf immer wieder zu visualisieren, mich zu pushen und denke an die Linie, die ich haargenau treffe.

Wann macht dir dein Job am meisten Spaß?

Vincent Kriechmayr_Natürlich könnte ich jetzt sagen, klar, der Moment, wenn man einen Sieg feiert. Definitiv. Aber es macht mir auch richtig Spaß, wenn ich in der Vorbereitung einen Fortschritt sehe. Man versucht ja immer besser zu werden – und wenn das gelingt, dann ist das schon eine gewisse Genugtuung.

Was würdest du wohl machen, wenn du kein Skirennläufer wärst?

Vincent Kriechmayr_Wow, das ist schwierig. Ich werde auch immer wieder gefragt, was ich nach meiner Karriere geplant habe. Ich habe keine Ahnung! Ich mache mir überhaupt keine Gedanken über mein Karriere-Ende, oder was ich danach machen könnte. Ich bin jetzt voll und ganz auf meinen Sport konzentriert und über alles andere mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.

Was würdest du deinem zehnjährigen Ich heute sagen?

Vincent Kriechmayr_Hab Spaß! Weil Spaß zu haben an dem, was man tut, ist das Wichtigste! Ich habe vor allem in meiner Jugend sehr viel Spaß gehabt. Wenn ich in meiner Jugend keinen Spaß gehabt hätte oder irgendwann meinen Spaß am Sport verloren hätte, dann wäre ich jetzt nicht hier. Natürlich ist es oft zach und man muss reinbeißen und man opfert auch viel für den Sport, ordnet ihm alles unter, aber wenn man dann Erfolge hat, dann weiß man, wofür man das macht. Ich hab jedenfalls immer noch großen Spaß daran.

Es geht so das Gerücht um, dass du Interviews nicht so gerne hast …

Vincent Kriechmayr_(grinst) Ich schau mir einfach selbst von mir keine Interviews an. Ich lese auch fast keine über mich. Interviews gehören natürlich bei mir dazu, aber ich bin jetzt keiner, der sich selbst googelt und dann analysiert, was genau er gesagt hat. Und ja, ich bin froh, wenn ich so wenig wie möglich aus meinem Privatleben preisgeben muss.

Okay, dann also umgedreht: Wem würdest du gern ein paar Fragen stellen?

Vincent Kriechmayr_Das ist eine ganz einfache Antwort für mich: meinen Großeltern. Alle meine Großeltern sind schon verstorben und ich würde einfach irrsinnig gerne mit ihnen zusammensitzen und mit ihnen über ihr Leben reden. Sicher weiß ich einiges über sie, aber viele Sachen weiß ich sicher nicht. Ich würde sie gerne vieles über ihr Leben fragen, weil sie in einer extrem schwierigen Zeit gelebt haben, das würde mich echt interessieren, was sie so vom Leben sagen und mir weitergeben können.

Wortgewand(t).

Wann bist du mit dir zufrieden? Wenn ich meine Leistung auf den Punkt gebracht habe.

Was ist deine größte Schwäche? Mein Ehrgeiz.

Der beste Ratschlag, den du je bekommen hast? Überlasse nichts dem Zufall.

Wo warst du noch nie, würdest aber gern mal hin? Réunion.

Sacher Torte oder Grammastettner Krapferl? Gramastettner Krapferl, eh klar.

Entweder nie mehr Skifahren oder nur mehr Slalom? Nur mehr Slalom.

Entweder Olympia Medaille (2022 in Peking) oder Gesamtweltcup? Gesamtweltcup.

Entweder nur mehr lügen oder nur mehr die Wahrheit sagen? Nur mehr die Wahrheit sagen.

Entweder Geldtasche oder Handy verlieren? Handy verlieren.

Entweder noch eine Stunde mit uns weiterreden oder eine Stunde im Aufzug stecken bleiben? Noch mit euch eine Stunde weiterreden.

Puh. Wir dachten schon … ;-)

Von Susanna Winkelhofer